Gute Nachrichten waren in Sachen variabel verzinster Kredite auf Nehmerseite seit dem Vorjahr äußerst dünn gesät. Mit den im Stakkato durchgeführten Zinsschritten der Europäischen Zentralbank (EZB) um insgesamt 4,5 Prozentpunkte schossen auch ihre laufenden Kosten für die Rückzahlung enorm in die Höhe. Allerdings mehrten sich zuletzt die Anzeichen, dass das Schlimmste nicht nur erreicht, sondern auch schon bald überstanden sein könnten.

Ein Haus wird neu errichtet.
So billig wie zur Nullzinsphase werden variabel verzinste Immokredite wohl nicht – aber zumindest auch nicht teurer.
IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Jedenfalls deuten die jüngsten Aussagen von EZB-Chefin Christine Lagarde darauf hin, dass der höchste Stand in diesem Erhöhungszyklus mit einem Leitzins von 4,5 Prozent – höchster Wert in der Geschichte der Eurozone – erreicht sein sollte. "Nie zuvor wurde die Geldpolitik in einem solchen Ausmaß und Tempo gestrafft", sagte die Französin. Es sei noch ungewiss, wie stark die Auswirkungen ausfielen. "Wir werden also aufmerksam verfolgen, wie diese Faktoren auf die Wirtschaft durchschlagen", sagte Lagarde. Man werde dem "etwas Zeit geben".

Teuerungswelle ebbt ab

Damit bestätigte sie indirekt, was an den Finanzmärkten ohnedies erwartet wurde – nämlich stabile Leitzinsen bis in das nächste Jahr. Zwar erläuterte die 67-Jährige nicht, was sie unter "etwas Zeit" in diesem Zusammenhang versteht – allgemein gilt, dass es ungefähr zwölf bis 18 Monate dauert, bis Veränderungen der Geldpolitik ihre volle Wirkung entfalten. Zum Vergleich: Die EZB startete ihre Serie an Zinserhöhungen im Juli 2022.

Jedenfalls lässt der Druck auf die Währungshüter durch die derzeitige Inflationswelle nach. In der Eurozone sank die Teuerung im Oktober auf 2,9 Prozent, nachdem sie zuvor zweistellige Werte erreicht hatte. "Aber es ist noch zu früh, den Sieg zu verkünden", betonte Lagarde mit Blick auf das Inflationsziel von bloß zwei Prozent. Dazu müsse das aktuelle Zinsniveau ausreichend lange beibehalten werden.

Die Äußerungen der EZB-Chefin verdeutlichen den Balanceakt, der den Währungshütern derzeit gelingen muss. Auf der einen Seite müssen sie Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation zeigen. Eine zu straffe Geldpolitik könnte die ohnedies schwer angeschlagene Konjunktur – im dritten Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung in der Eurozone um 0,1 Prozent – weiter bremsen. Dazu kommt, dass Lagarde die Spekulationen der Finanzmärkte auf Zinssenkungen zügeln muss. An den Terminmärkten werden nämlich bereits tiefere Zinsen in der Eurozone im Verlauf des Frühjahrs 2024 erwartet.

Fed will behutsam vorgehen

Ähnliche Töne waren auch aus der US-Notenbank Fed zu vernehmen. Man sei sich einig, dass man in einer Position sei, behutsam vorzugehen, heißt es in den Protokollen zur letzten Zinssitzung Anfang November, als die Fed den Leitzins in einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent beließ. Auch in den USA rechnen die Terminmärkte mit einer Trendwende: Eine Zinssenkung wird von Händlern für Mai 2024 als wahrscheinlich erachtet und ist für Juni komplett eingepreist.

Zurück zu den Kreditnehmern mit variabler Verzinsung. Sollten sich die Erwartungen der Terminmärkte als korrekt erweisen, dürfen sie hoffen, dass sich ihre monatliche Belastungen im zweiten Halbjahr 2024 wieder etwas verringern werden. Allerdings ist dies noch mit Unsicherheit behaftet, zumal die Positionen der EZB-Ratsmitglieder mitunter weit auseinanderliegen. Weitere Hinweise über die künftige Entwicklung dürfen sich Kreditnehmer von der Zinssitzung Mitte Dezember erwarten. (Alexander Hahn, 22.11.2024)