Meinungsstark ist wohl eines der Wörter, mit denen man den heuer verstorbenen Christian Pilnacek, einst mächtigster Beamter im Palais Trautson, dem Sitz des heimischen Justizministeriums, gut beschreiben kann. War der 1963 in Wien geborene Jurist von einer Sache überzeugt, verteidigte er mitunter auch lautstark seinen Standpunkt – selbst bei Pressekonferenzen. Nach Karrierestationen im Justizministerium, als Richter des Bezirksgerichts Innere Stadt und des Landesgerichts Korneuburg leitete er ab dem Jahr 2002 zunächst die Abteilung für Strafverfahrensrecht im Ministerium und zeichnete für die Jahrhundertreform der österreichischen Strafprozessordnung verantwortlich, die im Jahr 2008 in Kraft trat.

Christian Pilnacek wurde am 20. Oktober 2023 tot in Niederösterreich aufgefunden – das Ergebnis der von der Staatsanwaltschaft Krems angeordneten Obduktion steht noch aus.
APA/HELMUT FOHRINGER

Verbindungsmann der "Supersektion"

Zehn Jahre später übernahm der allseits als einer der begabtesten Legisten gelobte Pilnacek dann eine "Supersektion" des Ministeriums und leitete fortan die Bereiche Legistik und Einzelstrafsachen. Als Justizsektionschef kontrollierte Pilnacek die lokalen Staatsanwaltschaften, die vier Oberstaatsanwaltschaften und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Zwischen Februar 2018 und Mai 2019 war er zusätzlich Generalsekretär des Justizministeriums und damit dessen oberster Beamter. Pilnacek galt vielen eigentlich als Verbindungsmann zwischen Ministerium und ÖVP – die nun aufgetauchten Aufnahmen zeichnen ein anderes Bild.

In den vergangenen Jahren geriet Pilnacek zusehends mit Teilen der Justiz in Konflikt. Die Stimmung eskalierte im April 2019, als der Eurofighter-Akt von der Staatsanwaltschaft Wien zur WKStA wanderte. Die Vorstellungen über das Vorgehen gingen zwischen Pilnacek und den Korruptionsermittlerinnen und Korruptionsermittlern auseinander. Eine Tonaufnahme einer Dienstbesprechung gelangte an Medien, die Sache wurde zu einem erbitterten Schlagabtausch. Berühmt wurde der Satz des Spitzenbeamten: "Daschlogts es."

Fragwürdige Chats

Im Frühjahr 2021 erlitt Pilnaceks Karriere dann einen weiteren Rückschlag: Ermittler verdächtigten ihn des Verrats von Amtsgeheimnissen, und Pilnacek wurde suspendiert. In der Folge kamen einige fragwürdige Chats ans Tageslicht. Infolgedessen wurden einige Ermittlungsverfahren eröffnet. In einem Prozess, in dem es um die Weitergabe von Informationen an eine damalige Kurier-Journalistin ging, wurde Pilnacek rechtskräftig freigesprochen. Andere Verfahren liefen weiter. Zuletzt, im April 2023, verhängte die Bundesdisziplinarbehörde eine Geldstrafe, sprach ihn jedoch in zwei Fällen frei.

Am 20. Oktober 2023 wurde Pilnacek tot in Niederösterreich aufgefunden – das Ergebnis der von der Staatsanwaltschaft Krems angeordneten Obduktion steht noch aus. (fsc; japf; moe, 22.11.2023)