Ein Endling, das ist der letzte Vertreter einer Art – oder die letzte Vertreterin oder etwas dazwischen. Dazu gehört HP14, eine Weinbergschnecke, der wichtigste Besitz der verschrobenen Wissenschafterin Auguste im Climate-Fiction-Roman Endling.

Dieser spielt knapp 20 Jahre in der Zukunft. Das ist nicht nur schaurig, weil man sich fragt, wo man zu diesem Zeitpunkt selbst in dieser Welt stünde: Mehrere Pandemien haben sich ereignet, die sich rapide erhitzende Atmosphäre sorgt für ein massives Baumsterben, zahllose Arten wissen nicht mehr, wohin.

Jasmin Schreiber, "Endling". € 23,70 / 334 Seiten. Eichborn, Frankfurt am Main 2023
Verlag

Die Autorin Jasmin Schreiber ist selbst Biologin und zeichnet im Plauderton ein plausibles Bild von dem, was uns in der Biodiversitätskrise bevorstehen könnte. Noch dazu haben in dem dystopischen Setting rechtskonservative Regierungen strikte Abtreibungsverbote erlassen. In diesem Klima schickt Schreiber wieder eine Mission ungleicher Charaktere in die Alpen – ähnlich wie in ihrem Erstling und Bestseller Marianengraben.

Die Schwestern Zoe und Hanna suchen mit Tante Auguste deren verschollene Freundin, die eine matriarchale Gesellschaft erforschen wollte. Keine leichte Aufgabe mit einer traumatisierten Infektionsphobikerin auf dem Beifahrersitz, die ihr unkonventionelles Haustier überallhin mitnimmt.

Zwischen Anklängen an Naturführer und Margaret Atwoods Der Report der Magd gelingt Schreiber eine anrührende Familiengeschichte mit starken Protagonistinnen. Manche Schilderungen dürften in den kommenden 20 Jahren nicht sonderlich gut altern, an Bluetooth-Verbindungen werden wir vielleicht denken wie an MP3-Player. Aber bis dahin wird die produktive Autorin vermutlich ohnehin 20 neue Werke fertiggestellt haben.

Auf der Reise ins abgeschiedene Alpendorf stellen sich nicht nur fantastische Jurassic Park-Vibes ein. Offensichtlich fühlen sich Männer immer unwohler, je näher sie der Frauengemeinde kommen. Wer zoologisch bewandert ist, kann sich denken, warum es der Schnecke dabei nicht sonderlich gutgeht. (Julia Sica, 4.12.2023)