Herbert Kickl gewinnt die Kanzlerfrage, würde jetzt gewählt werden. Die Mehrheit der heimischen Bevölkerung spricht sich aber dagegen aus, dass frühzeitig gewählt wird.
Florian Voggeneder

Linz – Ginge es nach den Wählerinnen und Wählern der Freiheitlichen, würde so schnell wie möglich ein neuer Nationalrat gewählt. Verständlich: Die FPÖ hätte gute Chancen, zur stärksten Partei zu werden. Aber mit ihrem Neuwahlwunsch sind die Freiheitlichen insgesamt in der Minderheit. Allerdings: Eine klare Mehrheit von 71 Prozent hat den Eindruck, dass die derzeitige Bundesregierung die Probleme des Landes nicht im Griff hat. Das geht aus der aktuellen November-Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD hervor.

Aus der Hochrechnung der Wahlabsichten von 800 repräsentativ für die österreichische Wählerschaft ausgewählten Befragten ergibt sich, dass die FPÖ bei einer jetzt durchgeführten Nationalratswahl 30 Prozent der Stimmen bekommen würde. Damit lägen die Freiheitlichen deutlich vor der SPÖ mit 24 Prozent und der ÖVP mit 20 Prozent.

19 Prozent wollen Kickl als Kanzler

Auch in der – theoretischen – Kanzlerfrage ("Wenn Sie den österreichischen Bundeskanzler direkt wählen könnten, für wen würden Sie sich entscheiden?") kann FPÖ-Frontmann Herbert Kickl den ersten Platz beanspruchen. 19 Prozent würden Kickl direkt an die Regierungsspitze wählen.

David Pfarrhofer, Wahlforscher beim Market-Institut, verweist auf eine Diskrepanz: "Rund ein Viertel der Befragten sagt, dass sie die FPÖ wählen würden – wenn man das unter Berücksichtigung des früheren Wahlverhaltens und der erwarteten Wahlbeteiligung hochrechnet, kommt man auf 30 Prozent der Stimmen. Aber nur 19 Prozent wollen, dass Herbert Kickl Kanzler wird – das bedeutet, dass ein Teil der FPÖ-Wählerschaft ihre Wahlentscheidung eher als Protest und als Stärkung der Oppositionsrolle begreift."

Was sich nämlich auch zeigt: 21 Prozent der Befragten sagen ausdrücklich, dass sie "keinen davon" (also von den namentlich genannten Spitzenkandidaten) wählen würden. 14 Prozent der Freiheitlichen können sich für keinen der Kanzlerkandidaten erwärmen, bei den Sozialdemokraten sind es 18 Prozent und bei erklärten Grünen und Neos sogar ein Viertel.

In der Kanzlerfrage hat Amtsinhaber Karl Nehammer seine Parteiwählerschaft ziemlich geschlossen hinter sich. Nehammer hat gegenüber der Oktober-Befragungswelle etwas zugelegt – derzeit würden ihn 16 Prozent direkt wählen. Damit liegt der ÖVP-Chef vor dem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler, der auf 13 Prozent kommt.

An vierter Stelle liegt Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger mit neun Prozent. In der Hochrechnung kommen die Neos auf elf Prozent. Die Grünen würden derzeit acht Prozent erreichen, der Rückgang gegenüber der Wahl von 2019 ist ähnlich stark wie beim Regierungspartner ÖVP. Und Vizekanzler Werner Kogler würde nur von fünf Prozent direkt zum Kanzler gewählt, wenn das möglich wäre.

Sieben Prozent wollen Wlazny als Kanzler

Bei der Bierpartei ist das andersherum: Deren Spitzenkandidat Dominik Wlazny wird von sieben Prozent als Kanzler gewünscht (bei der Bundespräsidentenwahl im Vorjahr erreichte er 8,3 Prozent), seine Bierpartei kommt in der Hochrechnung aber nur auf drei Prozent. Die KPÖ kommt hochgerechnet auf zwei Prozent, der neue Spitzenmann Tobias Schweiger ist ähnlich wie der MFG-Chef Joachim Aigner zu wenig bekannt, um messbar Wählerstimmen zu generieren.

Pfarrhofer: "Generell sind das gute Zeiten für Oppositionsparteien, die Regierungsparteien haben ja gerade nur 28 Prozent der Wählerschaft hinter sich. Und nur 29 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher glauben, dass die österreichische Bundesregierung die Probleme des Landes im Großen und Ganzen im Griff hat – das sagt halt vor allem die verbliebene Wählerschaft der Regierungsparteien."

Dennoch sind nur 39 Prozent der Befragten für vorgezogene Wahlen – ein seit zwei Jahren stabiler Wert, wie Pfarrhofer betont: "Nur unter den Freiheitlichen gibt es eine Mehrheit für die möglichst rasche Durchführung einer Nationalratswahl. In der SPÖ-Wählerschaft hat offenbar die Hälfte die Meinung, dass die Zeit für eine Wahl noch nicht reif wäre. In allen anderen Gruppen sind die Befragten mehrheitlich dafür, dass Regierung und Parlament bis zum vorgesehenen Termin weiterarbeiten sollen." (Conrad Seidl, 27.11.2023)