Roter Himmel
Ein junger Schriftsteller (Thomas Schubert) sucht den Rückzug – und begegnet dabei an der Ostsee der Liebe in Gestalt der selbstbewussten Nadja (Paula Beer).
Stadtkino Filmverleih

Der Song In My Mind wird Schauspieler Thomas Schubert noch lange im Kopf bleiben: Die Nummer des Wiener Pop-Quartetts Wallners ist die Hymne seines neuen Films Roter Himmel. Und der hat den Österreicher seit der Weltpremiere bei der Berlinale diesen Februar international bekannt gemacht. Das neueste Werk des deutschen Arthouse-Meisters Christian Petzold gewann bei dem Beliner Filmfestival den Großen Preis der Jury, und Schubert selbst wurde Anfang des Monats für den Europäischen Filmpreis nominiert.

Fast wie zu Beginn seiner Schauspiellaufbahn kam für den 1993 geborenen Wiener alles recht unerwartet. Damals war er mit einem Freund zum Casting für Karl Markovics Regiedebüt Atmen mitgegangen und landete mit der Hauptrolle prompt in Cannes. Diesmal erreichte ihn der Anruf auch erst kurz vor den Dreharbeiten: Petzold war seine ursprüngliche Besetzung abhandengekommen, er engagierte dann direkt den Wiener. Ein Glücksgriff!

"Ich habe den Christian davor noch nie getroffen. Und dann musste ich mich da irgendwie reinstürzen", sagt Schubert, der schon bei der Berlinale-Weltpremiere viel Lob für sein reduziertes und vor allem körperliches Spiel bekam. Der Guardian stellte gar den Vergleich mit dem jungen Hugh Grant an. "Hugh Grant! Das muss ich noch verarbeiten!", sagt Schubert. Und nachdenklich: "Aber wenn dir bei der Premierenfeier alle sagen, wie großartig du bist, ist das auch schädlich. Da hab ich noch kein Rezept. Jedenfalls sollte man’s nicht zu ernst nehmen."

Film als Bakterienkultur

Genauso, wie man beim Erfolg keinem Missverständnis aufsitzen sollte: "Komischerweise verwechselt man Vorwärtsgehen immer mit größerem Erfolg. In Wirklichkeit heißt Vorwärtsgehen aber, einfach mal zu lernen. Spannend ist, neue Sachen zu machen. Ich arbeite gerne mit guten Leuten zusammen, die integer arbeiten und etwas zu erzählen haben. Dann ist mir relativ blunzn, wie das ankommt."

Regisseur Christian Petzold ist einer, bei dem Schauspielende Neues entdecken können und mit dem sie gern zusammenarbeiten. Auch bei Roter Himmel hat er ihnen viel Freiheit gegeben. "Alles, was er macht, soll die Fantasie der Schauspieler beflügeln. In der Vorbereitung füttert er dich mit Literatur und Musik und anderen Filmen, immer mit dem Satz, das hat nichts mit unserem Film zu tun, aber vielleicht doch. Am Set lässt er dich einfach machen und observiert dann mehr, als dass er wirklich was vorgibt", sagt Schubert. "Ein bisschen wie ein Wissenschafter, der eine Bakterienkultur ansetzt und dann überrascht ist, wenn die eigenen Kreationen ein Eigenleben entwickelt."

Trailer ROTER HIMMEL - Ab 20.04. im Kino
Piffl Medien

In Roter Himmel will der Jungschriftsteller Leon, der sich in ein Ferienhaus an der Ostsee zurückzieht, mit seinem zweiten Buch an seinen Debüterfolg anschließen. Doch er kommt mit dem Manuskript nicht weiter, sein Verleger ist wenig begeistert, und alle um ihn herum nerven ihn. Die Ängste, die seine Figur plagen, kann Schubert auch in seinem Schauspielerleben nachvollziehen. "Wenn du so einen Riesenerfolg hast, willst du halt einfach nicht zurückgehen." Für ihn war das Corona-Jahr 2020 so ein schwieriger Zeitpunkt. "Damals war ich quasi zehn Jahre Schauspieler, und ich habe überlegt, wie man das weitermachen kann."

Herausforderung Liebe

Passenderweise ist Roter Himmel ebenso aus der Corona-Krise entstanden. Christian Petzold schrieb das Drehbuch nach einem Fiebertraum während seiner eigenen Erkrankung. Anstatt eines dystopischen Films, drehte er aber eine Art Sommernachtstraum, als zweiten Teil seiner Trilogie zur deutschen Romantik.

Thomas Schuberts Figur begegnet darin der Liebe in Gestalt der selbstbewussten Nadja. Die wird ausgerechnet von Paula Beer gespielt, mit der Schubert schon 2014 im Bergwestern Das Finstere Tal spielte. "Einander nach so langer Zeit wiederzubegegnen war nicht schlecht für die Figuren. Oft heißt Verliebtsein ja, dass du das Gefühl hast, ich kenne die Person schon. Und das war bei uns auch so, aber eigentlich auch schon wieder nicht."

Sein Leon tut sich allerdings schwer, etwas anderes zu sehen als seine eigenen Probleme und sich auf die Liebe einzulassen. "Es gibt eine Distanz zwischen seiner Gedankenwelt und der Realität. Er ist auch ein junger Grantler. Im Drehbuch wird nicht erwähnt, dass er Wiener ist. Aber das Wienerische hat auf jeden Fall mitgespielt."

Und wie ist es, so einen Unsympathler zu spielen? "Eine Figur, die polarisiert, ist großartig, weil du nicht sofort sagen kannst, wie stehe ich zu dem. Und ich gehe ja nicht auf Sympathie. Ich schaue, dass das Innere stimmt." (Marian Wilhelm, 24.11.2023)