Helene Fischer und Shirin David sangen in Thomas Gottschalks letzter
Helene Fischer (links) und Shirin David sangen in Thomas Gottschalks letzter "Wetten, dass..?"-Show gemeinsam "Atemlos".
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Es ist 20 Uhr 15, Samstagabend, und am Bildschirm erscheint eine Riesenhimbeere oder – je nach Beleuchtung – eine Riesenpflaume. "Ich bin's zum letzten Mal", ruft Thomas Gottschalk und das Publikum tobt. "Ihr seid ja verrückt, Mensch", sagt er, als der Applaus einfach nicht aufhören will.

Einen weinroten Anzug hat der 73-Jährige für seine 154. Sendung und seinen Abschied gewählt und er verspricht: "Das wird keine öffentliche Andacht."

Er redet deutlich und ist gut zu verstehen. Eigentlich wäre dies nicht weiter erwähnenswert. Aber vor einem Jahr, bei seiner vorletzten Sendung war das anders. Da wirkte er manchmal auch etwas geistesabwesend und Co-Moderatorin Michelle Hunziker lotste ihn gelegentlich durchs Geschehen.

Der Gockel in der Halle

Aber am Schluss ist jeder alleine. Sein Farewell moderiert Gottschalk solo, Hunziker wollte er nicht mehr dabei haben. "Ich bin der einzige Gockel, den sie hier reingelassen haben", sagt er bei der ersten Wette, als Kandidat Horst Hähne (vom Tonband) nur an ihrem Krähen erkennt. Da blitzt der alte, selbstironische Gottschalk durch.

Doch sonst ist die Moderation anfangs sehr mau. Gottschalk wirkt schaumgebremst und unlocker. Schauspieler Matthias Schweighöfer bezeichnet er als Matthias Schweinsteiger und mischt ihn mit Fußballer Bastian Schweinsteiger, der aber erst ein wenig später auf der großen Besuchercouch Platz nimmt. Schweinsteiger ist mit seiner Frau Ana Ivanović gekommen. "Hilft er dir im Haushalt?", will Gottschalk von der ehemaligen Tennisspielerin wissen. In seiner Welt macht halt noch die Frau den Haushalt.

Cher.
Cher war auch zu Gast.
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Später tatscht er noch ein bisschen an Helene Fischers Kostüm herum, den "Jungs" der Band "Take That" bleibt that erspart. Die müssen eh bald zum Flieger. Dieser Klassiker darf auch in der letzten Sendung nicht fehlen. Irgendwer musste immer früher weg. "Take That" verpasst damit allerdings, wie Gottschalk dann im Laufe des Abends doch auftaut. Immer wieder kokettiert er mit seinem Alter. Als die Rolling Stones per Video Hallo sagen, kommentiert Gottschalk: "Ein Gruß aus der Abteilung alte, weiße Männer."

Schlagabtausch mit Shirin David

Nur mit manchen Frauen wird das wohl nichts mehr. Zur 28-jährigen Rapperin Shirin David meint Gottschalk: "Ich hätte dir die Feministin nicht angesehen." "Warum nicht? Weil ich gut aussehe?", blafft diese zurück und belehrt den Showmaster: "Als Feministinnen können wir gut aussehen, wir können klug sein und eloquent und wunderschön zugleich. Das eine schließt das andere nicht aus". Es ist der beste Moment der Sendung. Da kann selbst Gottschalk nur noch beidrehen und bekennen: "Ich bin ein Feminist."

Die Wetten: Nebst der amüsanten Hahnen-Kräherei wird ein Hund aufgeboten, der Zahlen lesen kann. Der 14-jährige Felix aus dem österreichischen Großweikersdorf will im Handstand auf einen Skateboard mit seinem Helm Karten von Colaflaschen stupsen und Mentos in den Flaschen werfen. Er schafft es knapp nicht, bekommt aber dennoch viel Applaus.

Bagger sind keine dabei, dafür zwei Frauen, die mit zwei Gabelstaplern ein Handy mit Strom verbinden wollen. Das Gendern bei der Vorstellung der beiden fällt Gottschalk nicht leicht.

Bei der Außenwette aus der Schweiz ziehen Männer eine Standseilbahn mit purer Muskelkraft hoch. Es dauert nur kurz, wird aber anmoderiert wie die erste Mondlandung. Falls die Außenwette in der Post-Gottschalk-Ära von "Wetten, dass..?" – wie immer diese aussehen wird – wegfällt, wird man das verschmerzen.

Der Abend vergeht, es plätschert dahin. Cher singt, Jan Josef Liefers und Stefanie Stappenbeck tun es ebenfalls. Gottschalk gibt zur Abrundung noch Peinliches von sich und erzählt ausführlich, wie er mal vor einer Sendung ein Zäpfchen nehmen hätte sollen. Aber das war geschmolzen, also musste er es erst einfrieren und dann in Raketenform wieder herstellen.

Thomas Gottschalk steht auf einer Baggerschaufel und winkt dem Publikum zu. Die Stargäste klatschen im Hintergrund.
Thomas Gottschalk verabschiedete sich auf einer Baggerschaufel.
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Mit dieser ermüdenden Mischung könnte es natürlich noch Jahr um Jahr weitergehen. Tut es aber nicht, und das ist auch gut so. "Ich steh nicht hier und bin verzweifelt", sagt Gottschalk, als es dann zur endgültigen Verabschiedung geht. An seinem körperlichen oder geistigen Zustand liege der Abgang nicht.

Aber, so der Entertainer auf den letzten Metern: "Es ist problematisch, wenn man mir irgendwann meine Gäste erklären muss." Und bevor ihm ein Aufnahmeleiter vorwerfe, er habe wieder "einen Shitstorm hergelabert, sag ich lieber gar nichts mehr". Unglaublich, aber auch für sich sprechend: Er überzieht nur ein paar Minuten.

Die Halle verlässt er auf einem Bagger, auf dem auch sein "Supernasen"-Kumpel Mike Krüger steht. Winke, Winke, Applaus, das wars. Man wird sich an Gottschalk erinnern, aber er wird nicht fehlen. Es ist jetzt Zeit für etwas Neues. (Birgit Baumann, 26.11.2023)