Musikverein
Markus Poschner dirigiert hier sein Bruckner Orchester Linz beim 50. Konzert im Musikverein Wien im Vorjahr.
Land OÖ/Mayrhofer

Nur noch der Dezember muss vergehen, dann kann der 200. Geburtstag des Romantikgiganten gefeiert werden. Im Musikverein will man die Schöpfungen des frommen Geburtstagskinds "in einen zeitgenössischen Kontext stellen". Diesen November wurden in drei Programmen Werke von Bruckner mit solchen von Georg Friedrich Haas kombiniert. Im Konzert des ORF-RSO Wien folgte unter der Leitung Markus Poschners auf das 2. Violinkonzert des Staatspreisträgers die dritte Symphonie Bruckners. Poschner ist seit 2017 Chefdirigent des Linzer Bruckner Orchesters und als solcher qua Amt Experte für alles Brucknerianische.

Bruckners Symphonien waren ja, man vergisst es gern, auch einmal zeitgenössische Musik. Mit der Uraufführung der Zweitfassung seiner Dritten im Musikverein erlebte der Komponist 1877 allerdings ein Fiasko. Bei den Wiener Philharmonikern stieß das Werk auf widerständige Skepsis (war halt kein Brahms), beim Publikum und bei den Kritikern auch. Eduard Hanslick, der große Irrende seiner Zeit, bedachte das Werk mit Spott und Hohn.

Gärtnerische Pflege

Markus Poschner ließ der Dritten liebevolle gärtnerische Pflege angedeihen: Alles so blumig hier! Weichzeichnung statt schroffer Gegensätze war die Devise im Kopfsatz. Das Fortissimo-Motiv der vier halben Noten (drittes Thema) ließ der Bayer quasi cantabile musizieren – aber Bruckner hat es bei den Bläsern ja auch mit Legatobögen überspannt. Beiläufig das absteigende Ende des ersten Themas (Bruckner: marcato und fortissimo). Das RSO Wien wärmte das Gemüt mit seidenweichen Klängen (etwa am Ende der Exposition).

Postdramatische Musik

Weniger Abwechslung als die Dritte hatte zuvor Haas' zweites Violinkonzert (2017) geboten. Terzen firmierten als Außenposten des halbstündigen Werks (Bruckner hat Terzen ja auch sehr geschätzt, gleich nach Quarten, Quinten und Nonen). Dazwischen verweigert sich der Komponist weitgehend eines packenden dramaturgischen Konzepts und verzichtet zudem auf die Impulskraft des Rhythmus. Postdramatische Musik.

Alles ist Atmosphäre, Klangflächen changieren auf wenig inspirierende Weise. Dämonische Auswüchse und Ausflüge ins zauberische Gefilde sorgen nur kurz für Abwechslung. Der warme Ton von Miranda Cucksons Geige gefiel, ein Mehr an solistischer Strahlkraft wäre kein Schaden gewesen. Das Abonnementpublikum des RSO Wien (und einige Touristen) reagierten auf das eintönige Werk milder als jenes zu Bruckners Zeiten: wohlwollender Applaus für die Musizierenden und den 70-jährigen Komponisten im Musikverein. (Stefan Ender, 26.11.2023)