Luftverschmutzung, Feinstaub, Europa
Feinstaub ist laut Studien das größte von Umweltbedingungen ausgehende Gesundheitsrisiko in der EU.
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Unter dem Mikroskop sehen Feinstaubpartikel aus wie kleine Kunstwerke: Manche ähneln Schneeflocken, andere Schwämmen, Algen oder Blasen. Viele von ihnen sind kleiner als 2,5 Mikrometer, also 2,5 Tausendstel eines Millimeters, und daher mit freiem Auge nicht sichtbar. Das macht sie jedoch umso gefährlicher: Im Vergleich zu größeren Staubpartikeln können sie nicht ausgehustet werden, sondern gelangen über die Atmung direkt in die Lungenbläschen und in den Blutkreislauf, was wiederum zu Lungenschäden und Herzerkrankungen führen kann.

Wie gefährlich Feinstaub in Europa nach wie vor ist, zeigt eine aktuelle Studie der Europäischen Energieagentur (EEA). Demnach standen im Jahr 2021 253.000 Todesfälle in der EU im Zusammenhang mit zu hohen Feinstaubwerten. In Österreich gab es im selben Jahr 3.200 Todesfälle. Die Luftverschmutzung ist laut Forschenden immer noch das größte von Umweltbedingungen ausgehende Gesundheitsrisiko in der EU.

Feinstaub entsteht beispielsweise durch den Bremsen- oder Reifenabrieb bei Autos sowie durch deren Emissionen, durch Heizungen in Wohnhäusern und der Industrie oder auch durch die Landwirtschaft, etwa durch die Ammoniakemissionen, die bei der Tierhaltung entweichen.

Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung

Dabei haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass sich Feinstaub effektiv reduzieren lässt: Zwischen 2005 und 2021 ist die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Feinstaub in der EU um 41 Prozent zurückgegangen – eine Entwicklung, die die EU überwiegend auf strengere Regulierungen bei der Luftverschmutzung zurückführt. Bis 2030 soll sich die Zahl der Todesfälle durch Feinstaub in der EU um 55 Prozent im Vergleich zu 2005 reduzieren, so das Ziel.

Auch eine bessere Radinfrastruktur, ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr, Tempolimits in belasteten Gebieten oder der Tausch von alten Heizkesseln können laut österreichischem Klimaschutzministerium dabei helfen, die Feinstaubbelastung zu reduzieren. Daneben gibt es aber auch eine Reihe kreativer Ideen, wie sich die Luftqualität in Zukunft verbessern lässt.

Algen als Luftfilter

Das deutsche Start-up Solaga entwickelt beispielsweise Algenfilter, die aussehen wie überdimensionierte Heizstrahler und die sich besonders an stark befahrenen Straßen und Kreuzungen in Städten aufstellen lassen. Im Inneren der autarken Anlage sind Mikroalgen-Biofilme in mehreren Stufen übereinander angeordnet, die möglichst viele Schadstoffe von Autos und Industrien aus der Luft filtern sollen. Mikroalgen können Feinstaub, gesundheitsschädliche Chemikalien und auch CO2 als Nährmedium für ihr Wachstum nutzen. Dadurch soll die Anlage neben der Luftqualität auch zum Klimaschutz beitragen.

Die ersten derartigen Filterkästen könnten laut dem Unternehmen demnächst rund um Berlin aufgestellt werden und sollen dort dazu beitragen, die Feinstaubbelastung zu reduzieren. Künftig könnten Algen aber auch Fassaden begrünen und diese zu natürlichen Luftfiltern machen. Zudem könnten die mit CO2 angereicherten Algen laut Solaga auch zur Produktion von Biogas verwendet werden, mit dem sich wiederum Wohnungen beheizen lassen.

Ein ähnliches Konzept haben Forschende in Belgrad in Serbien vor zwei Jahren umgesetzt – eine Stadt, die regelmäßig mit hohen Feinstaubwerten zu kämpfen hat. In Zusammenarbeit mit der Regierung wurden überall in der Stadt grüne Algentanks aufgestellt, die von der Regierung als "flüssige Bäume" bezeichnet werden. Diese saugen durch ein Ventil die Umgebungsluft in den Wassertank ein. Im Inneren nehmen die Mikroalgen CO2 und Schadstoffe aus der Luft auf und wandeln es in Sauerstoff um. Der Strom für den Betrieb kommt von einer eigenen installierten Photovoltaikanlage.

Bioreaktor, Belgrad
Die Bioreaktoren in Belgrad sollen CO2 und Schadstoffe aus der Luft filtern.
EPA

Moosfilter in Städten

In Stuttgart fand vor einigen Jahren ein Experiment mit einer Mooswand statt, die Feinstaub aus der Luft filtern sollte. Dafür hatte die Stadt eine drei Meter hohe und 100 Meter lange Wand mit unterschiedlichen Moosarten aufgestellt. Die Hoffnung: Das Moos sollte entlang der Wand zu einer zehn Prozent niedrigeren Feinstaubbelastung beitragen. Allerdings war den Moosen der Standort zu trocken und sonnig, wodurch sie schlecht wuchsen. Nach eineinhalb Jahren Feldversuch konnten die Forschenden keine erkennbare Reduktion der Feinstaubwerte nachweisen.

Mehr Erfolg mit dem Einsatz von Moos scheint hingegen das Start-up Citytree zu haben. Dieses stellt Filter in Städten auf, in denen sich vertikale Moosmatten befinden. Die Filter saugen die Umgebungsluft ein, diese strömt dann durch die Moosmatten und wird dabei gereinigt und gekühlt. Anschließend strömt die saubere Luft wieder nach draußen. Je nach Entfernung zum Filter sollen mehr als 50 Prozent des Feinstaubs in der Luft gefiltert werden. Der erste Citytree Österreichs befindet sich in Graz – und soll dort die meist schlechten Feinstaubwerte der Stadt zumindest in seinem direkten Umfeld ein wenig aufbessern.

CityTrees, Filter, Moos, Luftverschmutzung
Die Moos-Filter von Citytree sollen die Luft in der näheren Umgebung von Feinstaub reinigen.
obs/Green City Solutions

Reifenabrieb einsammeln

Ein anderes Konzept verfolgt das britische Start-up Tyre Collective. Dort will man mit speziellen Filtern, die hinter den Reifen angebracht werden, den Abrieb aufsammeln, der entsteht, wenn Autos beschleunigen, bremsen oder um eine Kurve fahren.

Das Potenzial dafür ist groß: Laut Studien fallen allein in der EU jährlich rund 500.000 Tonnen Abrieb von Autos an. Dazu zählt nicht nur der Gummi des Reifens, der sich bei der Abreibung in Form winziger Partikel in der Umwelt verteilt, sondern auch metallischer Staub, der vom Bremsklotz abgerieben wird. Bei älteren Autos trägt auch der Ruß aus dem Auspuff zur Feinstaubbelastung bei. Bei E-Autos könnte sich das Problem mit dem Reifenabrieb laut einigen Experten durch deren höheres Gewicht sogar noch verstärken.

Um zu verhindern, dass überhaupt Abrieb in die Luft und Umwelt gelangt, sollen die Reifenfilter von Tyre Collective den Abrieb mittels Elektrostatik und Luftzug auffangen. Anschließend sollen die Partikel getrennt und für die Herstellung neuer Produkte, wie beispielsweise Reifen, verwendet werden. Wie sehr die Filter künftig zum Einsatz kommen, bleibt vorerst abzuwarten. Unabhängig davon könnte eine neue EU-Abgasnorm dafür sorgen, dass es ab 2025 bestimmte Grenzwerte für Brems- und Reifenabrieb gibt.

Tyre Collective, Filter, Feinstaub, Reifenabrieb
So sehen die Filter des Unternehmens Tyre Collective aus, die Reifenabrieb auffangen sollen.
Tyre Collective

Sensoren an Laternen

Um überhaupt genau zu wissen, an welchen Orten es in einer Stadt oder in der Umgebung die höchsten Feinstaubwerte gibt, braucht es gute Messdaten. Einige Städte wie beispielsweise Darmstadt in Deutschland experimentieren damit, an Straßenlaternen kleine modulare Boxen mit Sensoren anzubringen, die unter anderem die Feinstaubkonzentration in der Luft messen. Damit wäre es auch für Bewohnerinnen und Bewohner möglich, Daten zur Feinstaubkonzentration in unterschiedlichen Stadtteilen in Echtzeit abzurufen.

Daneben versuchen einige Initiativen, auch Einwohnerinnen und Einwohnern selbst die Feinstaubmessung näherzubringen. Die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth hat beispielsweise vor einigen Jahren Bewohnerinnen und Bewohner in Großbritannien mit privaten Feinstaubmessgeräten ausgestattet. Sofern die Messqualität stimmt, ließe sich mit einem dichten Netzwerk an privaten Messgeräten auch ein genaueres Bild der Feinstaubbelastung an einem Ort erstellen, sagen einige Experten.

Wer sich bereits jetzt einen Überblick über die Luftqualität im eigenen Ort beziehungsweise in der Umgebung verschaffen möchte, kann dafür die Daten des European Air Quality Index einsehen. Auch über die Website Sensor.community lassen sich private Messdaten zur Feinstaubbelastung aus vielen Teilen der Welt einsehen. Aus den Daten ist erkennbar, wie unterschiedliche Orte bei der Luftqualität abschneiden – und zu welchen Zeiten man in manchen Orten besser keinen Sport draußen machen sollte. (Jakob Pallinger, 29.11.2023)