Unter den tausenden Kunstwerken, die über die Jahrhunderte von ihrem Entstehungsort geraubt wurden und in westlichen Museen gelandet sind, hat der Parthenon-Fries eine besondere Stellung. Er war 2300 Jahre lang Teil der Akropolis, der wohl berühmtesten Ausgrabungsstätte der Welt, und steht seit 200 Jahren im Britischen Museum in London, ebenfalls ein Juwel der Weltkultur. Der englische Lord Elgin ließ ihn einst aus dem Parthenon-Tempel herausschneiden, als Athen von den Osmanen beherrscht wurde. Ob das großartige Werk dadurch vandalisiert oder eher vor Zerstörung geschützt wurde, lässt sich heute nicht mehr sagen.

Parthenon-Skulpturen
Ein Besucher betrachtet Teile der umstrittenen Parthenon-Skulpturen in London.
EPA/ANDY RAIN

Der Parthenon-Fries ist Teil des griechischen Kulturerbes, aber er gehört auch der gesamten Menschheit. Und viele Jahre war London der beste Platz für Kulturinteressierte, um die künstlerischen Leistungen der Athener Antike zu bewundern.

Moralisch und völkerrechtlich sind Forderungen nach Rückgabe geraubter Kunst meist berechtigt. Doch wenn große Werke an Plätzen landen, wo ihnen Vernachlässigung und Zerstörung drohen oder sie in privaten Palästen verschwinden wie die von Deutschland nach Nigeria restituierten Benin-Bronzen, dann sind solche Schritte wenig sinnvoll. Das gilt für viele Werke, deren Rückgabe von Ländern des Globalen Südens lautstark gefordert wird. Die Büste der Nofretete, derzeit in Berlin, sollte im neuen archäologischen Museum von Kairo stehen – solange in Ägypten nicht bilderstürmende Jihadisten an die Macht kommen. Das babylonische Ishtar-Tor ist heute im Berliner Pergamonmuseum besser aufgehoben als in Bagdad.

Beim Parthenon-Fries in London hat die Errichtung des neuen Akropolis-Museums, wo bereits weitere Fries-Skulpturen stehen, den griechischen Anspruch auf Rückgabe gestärkt. Griechenland ist EU-Mitglied, ist sicher und stabil. Der Fries könnte dort von aller Welt besucht werden. Die Briten haben keinen Grund mehr, die Rückführung zu verweigern, außer ein falsch verstandenes Gewohnheitsrecht.

Das erklärt wohl, warum der britische Premier Rishi Sunak das Treffen mit seinem griechischen Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis abgesagt hat, als dieser das Thema aufbringen wollte. Zugeständnisse an Athen würden Sunaks konservativen Parteifreunden nicht gefallen. Und denen will er derzeit alles recht machen. Doch parteipolitische Taktik wird den Briten eine notwendige Debatte längerfristig nicht ersparen. (Eric Frey, 28.11.2023)