Kogler und Brunner
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) haben eine steuerliche Reform zugunsten gemeinnütziger Vereine präsentiert. In einem Passus orten zahlreiche Organisationen von Greenpeace bis SPÖ jedoch demokratiepolitischen Zündstoff.
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Wien – Die Regierung hat am Donnerstag in einer Pressekonferenz ihre geplante Reform im Bereich der gemeinnützigen Organisationen präsentiert. Das Kernstück des Pakets, das Anfang 2024 in Kraft treten soll, ist die Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden auf alle gemeinnützigen Organisationen. Derzeit können Spenderinnen und Spender ihre Zuwendungen ja nur dann von der Steuer absetzen, wenn die Tätigkeit der begünstigten Organisation auf bestimmte Zwecke gerichtet ist, die im Gesetz definiert sind – dazu zählt unter anderem die Förderung von Wissenschaft, Naturschutz und Katastrophenhilfe. Künftig ist diese Liste an Zwecken nicht mehr maßgeblich, es soll nur mehr darauf ankommen, dass die begünstigte Organisation gemeinnützig ist – und somit jedenfalls nicht gewinnorientiert.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) erklärten, dass davon vor allem gemeinnützige Organisationen in den Sparten Kultur, Sport und Bildung profitieren würden, die nun ebenfalls mit dem Zuckerl der steuerlichen Absetzbarkeit um Spenden werben können. Die Koalition erwartet sich davon einen Anstieg des Spendenvolumens in Österreich.

Video: Spendenabsetzbarkeit - Regierung verteidigt Reform
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Eine steuerliche Erleichterung soll es außerdem für Freiwillige geben, die sich für das Gemeinwohl engagieren. Es ist vorgesehen, dass Freiwillige bis zu einer Grenze von dreißig Euro pro Tag beziehungsweise tausend Euro im Jahr keine Einkommenssteuer auf Vergütungen zahlen müssen, die sie von einer gemeinnützigen Organisation erhalten.

In Grundzügen Lob, punktuelle Empörung

Der türkis-grüne Gesetzesentwurf wurde bereits im Oktober veröffentlicht und stieß damals bei zahlreichen Organisationen der Zivilgesellschaft auf positive Resonanz. Das Bündnis für Gemeinnützigkeit sprach von einem "historischen Reformpaket" und lobte etwa den Abbau bürokratischer Hürden sowie die grundsätzliche Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit. Das Rote Kreuz freute sich insbesondere über die Ermöglichung steuerfreier Zahlungen an Freiwillige.

In der Zwischenzeit kristallisierte sich in den Details des Textes allerdings ein heikler Punkt heraus, der bei einigen NGOs die Alarmglocken schrillen lässt. Am Donnerstag warnten dann Greenpeace, Fridays for Future, Volkshilfe und Attac mit einem offensichtlich konzertierten Schwall an Presseaussendungen vor einem "Angriff" auf demokratische Grundrechte und den zivilgesellschaftlichen Aktivismus. Auch die SPÖ schloss sich der Empörung an.

Die Kritik entzündet sich an einer neuen Regelung, die die Bedingungen definiert, unter denen der Staat einer gemeinnützigen Organisation den Vorteil der steuerlichen Spendenabsetzbarkeit entziehen kann: Die Begünstigung soll demnach aberkannt werden, wenn eine Organisation "systematisch die vorsätzliche Begehung von in ihrem Interesse methodisch begangenen strafbaren Handlungen fördert". Als Beispiel für eine solche Förderung wird im Entwurf angeführt, dass eine Organisation ihr Spendengeld "in nicht bloß untergeordnetem Ausmaß" für die Begleichung von Strafen verwendet, die ihren Aktivistinnen und Aktivisten auferlegt werden.

Auch Verwaltungsstrafen inkludiert

Ein Gutachten der von Greenpeace beauftragten Rechtsanwältin Victoria Ramstorfer hält fest, wie weitreichend diese Bestimmung wäre. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes sind nicht nur Delikte betroffen, die im Strafgesetzbuch stehen, sondern auch bloße Verwaltungsstrafen. Dazu gehören etwa, um ein momentan verbreitetes Szenario zu nennen, die Verstöße der Klimakleber gegen die Straßenverkehrsordnung und das Versammlungsrecht.

Auch diverse andere Protestformen im öffentlichen Raum sind immer wieder von Verwaltungsübertretungen der Demonstrierenden begleitet, wobei die Geldbußen typischerweise aus der Kassa der dahinterstehenden NGOs bezahlt werden. Die Organisationen sehen daher in der angedrohten steuerrechtlichen Sanktion eine mögliche Gefährdung ihrer Arbeit. Die Befürchtung: Sollte tatsächlich die steuerliche Absetzbarkeit entzogen werden, würde prompt auch die Bereitschaft für Spenden an betroffene Vereine und somit deren Budget einbrechen, weil die Spenderinnen ihr Geld stattdessen lieber an jene Vereine überweisen, bei denen die Begünstigung weiterhin gilt. Allein diese Drohkulisse sei eine Einschränkung "demokratischer Protestformen", argumentiert etwa Attac.

Macht des Finanzamts

Der Jurist Heinz Mayer bemängelt zudem, dass der Entzug der Absetzbarkeit durch das Finanzamt mit sofortiger Wirkung schlagend würde, weil eine Beschwerde gegen einen solchen Bescheid keine aufschiebende Wirkung hätte. Diese Konstruktion hält Mayer für verfassungswidrig, weil ein betroffener Verein schon im Vorfeld einer letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung mit wirtschaftlich "existenzbedrohenden Belastungen" durch den nicht rechtskräftigen Bescheid des Finanzamts zu kämpfen hätte.

Finanzminister Brunner kündigte am Donnerstag an, man werde den verfassungsrechtlichen Einwand vor dem Gesetzesbeschluss noch prüfen, der für Mitte Dezember im Nationalrat geplant ist. Generell sei aber der Sinn hinter der neuen Bestimmung, dass jene Organisationen von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen werden, die "sich nicht an die österreichische Rechtsordnung halten".

Vizekanzler Kogler sagt zwar, er habe aus eigener biografischer Prägung großes Verständnis für Protestformen des zivilen Ungehorsams. Allerdings hätten die von der Regierung befragten Juristinnen und Juristen befunden, dass die nunmehr laut gewordenen Bedenken unbegründet seien – wobei Kogler nicht im Detail auf die Kritikpunkte einging. (Theo Anders, 30.11.2023)