Das Bild zeigt das Steamdeck OLED
Dass Handhelds eine Renaissance feiern, ist vor allem zwei Geräten zuzuschreiben. Danach wird es ... kompliziert.
Valve

Das Gefühl, das ich hatte, als ich im Herbst 1990 zum ersten Mal einen Gameboy in Händen hielt, hat sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt. Auch wenn Nintendo-Charaktere damals schon über unseren Fernseher im Wohnzimmer flimmerten, hatte es etwas Magisches, "Tetris" und "Super Mario Land" überall mitnehmen zu können. Die Möglichkeit tragbarer Videospiele war natürlich nicht neu, aber Tricotronics etwa, wie sie meine Schwester hatte, verloren nach kurzer Zeit ihren Reiz. Mit dem Gameboy wurde hingegen der Grundstein für ein bewährtes Konzept gelegt, das sich im Großen und Ganzen bis heute gehalten hat.

Die Geschichte tragbarer Spielkonsolen ist aber kein durchgängiger Erfolgslauf. Zwischenzeitlich hatte es immer wieder den Anschein, als würden Smartphones den Handhelds, wie sie Spielerinnen und Spieler zu schätzen gelernt haben, den Rang ablaufen wollen. Wie es mit All-in-one-Geräten häufig der Fall ist, können sie zwar alles, aber Vieles nicht gut genug. Von den Inhalten ganz zu schweigen: Ich stimme an dieser Stelle Kollege Sigl voll und ganz zu, dass Mobile-Gaming ein milliardenschweres Trauerspiel bleibt. Ob Smartphones für Gamerinnen und Gamer doch noch interessant werden, ist noch abzuwarten, kurz- bis mittelfristig aber eher zu bezweifeln.

Der Gamechanger

Seit dem Marktstart der Switch im März 2017 erleben tragbare Konsolen wieder eine Art zweiten Frühling. Dass das hybride Spielkonzept einschlug wie eine Bombe, ist mit gewissem Abstand betrachtet keine Überraschung: Das Gerät ist auf das Wesentliche maßgeschneidert, benötigt nicht zwingend eine Onlineverbindung, bietet eine beeindruckende Auswahl an exklusiven Spielen – und das zu einem akzeptablen Preis. Nintendo lockerte außerdem seine ehemals strenge Veröffentlichungspolitik, was Nintendos Qualitätssiegel zwar ein paar üble Flecken bescherte, aber auch zu einer deutlichen Erweiterung des Angebots im E-Shop führte.

Mehr als 130 Millionen verkaufte Einheiten später hat die Konsole mittlerweile sogar "Uropa" und Legende Gameboy überholt. Zwischenzeitlich wurde das Erfolgsrezept nur mit einem OLED-Display und verbesserter Akkulaufzeit feingetunt. Da die Verkaufszahlen seit längerem rückläufig sind, ist davon auszugehen, dass Nintendo den Nachfolger nächstes Jahr zumindest ankündigen und möglicherweise auch schon veröffentlichen wird.

Die beste Alternative

Bemerkenswert an der Erfolgsgeschichte von Nintendo ist, dass es sehr lange keinen vergleichbaren Rivalen zur Switch gab. Es sollte fast fünf Jahre dauern, bis Valve mit dem Steam Deck im Februar 2022 einen PC-Handheld veröffentlichte, der vom Spielerlebnis annähernd so komfortabel ist wie der Nintendo-Hybrid.

Für diejenigen Spielerinnen und Spieler unter uns, die sich über Jahre hinweg einen umfangreichen Spielekatalog auf der populärsten Vertriebsplattform für PC-Spiele zusammengehamstert haben, ist das Steam Deck sogar die bessere Wahl: Sie können damit die meisten ihrer gekauften Lieblingsspiele auch unterwegs kostenlos genießen – ein mittlerweile sehr gutes Zusammenspiel von Hard- und Software sorgt für überraschend wenige Einschränkungen im Vergleich zum Desktop-Erlebnis.

Natürlich kann sich Valves Konsole nicht im Geringsten mit den Verkaufszahlen der Switch messen. Analysten gehen davon aus, dass sich das Steam Deck bis Jahresende in Summe drei Millionen Mal verkauft haben wird. Das tut dem qualitativ hochwertigen Spielerlebnis auf Augenhöhe mit dem Klassenprimus aber keinen Abbruch. Und im Übrigen auch den Ambitionen des Herstellers nicht, am Produkt festzuhalten: Erst vor kurzem wurde ein Mid-Gen-Update der Konsole veröffentlicht, das vermutlich als das größte Understatement eines Unternehmens bei einer Produktveröffentlichung in die Videospielgeschichte eingehen könnte. Was lediglich mit einem neuen OLED-Display und verbesserter Akkulaufzeit beworben wird, wurde in Wahrheit mit dutzenden Feintunings komplett runderneuert. Und das auch noch ohne Aufpreis gegenüber dem Vorgänger.

Konkurrenzlos

Kurzum: Wer Videospiele unterwegs genießen will, wird um die Switch oder das Steam Deck nicht herumkommen. Von ganz kleinen Premium-Nischenprodukten wie dem Analogue Pocket für Retrospieler einmal abgesehen war es das auch schon. Das Handheld-Revival wird also bestenfalls von zwei Geräten getragen – Konkurrenzprodukte mögen auf den ersten Blick zwar ähnlich ambitioniert sein, scheitern aber an vermeintlich einfachen Hürden.

Besonders gut zeigt sich das an den vielversprechendsten Rivalen, dem ROG Ally von Asus und dem Legion Go von Lenovo. Beide Handhelds sind noch relativ neu am Markt und wurden im Vorfeld besonders als starke Alternative zum Steam Deck positioniert. Bei genauerer Betrachtung können aber sowohl Asus als auch Lenovo aus zwei wesentlichen Gründen nicht mit ihren Produkten überzeugen.

Zum einen mag es beeindruckend klingen, Valve hinsichtlich Hardware in vielen Punkten zu übertrumpfen – AMDs Ryzen-Z1-Prozessor spielt in diesem Zusammenhang sicherlich eine große Rolle. Um diesen Vorteil wirklich merkbar auszuspielen, hat das allerdings zur Folge, dass die Akkulaufzeit massiv darunter leidet – und somit das ganze Konzept der Tragbarkeit infrage gestellt wird.

Beste Feinde mit Windows Mobile

Zum anderen – und das ist der wesentlich schwerwiegendere Grund – erscheint Windows als Betriebssystem für tragbare Spielkonsolen (noch?) gänzlich ungeeignet. Das bedeutet in der Praxis vor allem, dass man ständig gegen eine umständliche und lieblose Benutzerführung ankämpft, die es weder via Touchscreen noch über physische Eingabe und schon gar nicht als Kombination aus beidem schafft zu überzeugen.

Das klassische Desktop-Interface funktioniert auf einem vergleichsweise kleinen Display einfach nicht. Hinzu kommen lästige Update-Rhythmen, die immer wieder vom eigentlichen Spielen abhalten – dabei stört weniger die Tatsache an sich als ihre Dauer. Wer von der Updategeschwindigkeit einer Switch verwöhnt ist, wird sich mit Konkurrenzprodukten weinend die Haare raufen.

Verschlimmbessert werden diese Unzulänglichkeiten auch noch dadurch, dass beide Hersteller das schwache Nutzererlebnis durch Windows mit eigener Software korrigieren wollen – aber nicht selten das genaue Gegenteil damit erreichen. Während man den Konsolenherstellern nur indirekt einen Vorwurf machen kann, sich nämlich für die falsche Plattform entschieden zu haben, wäre hier vor allem Microsoft in der Bringschuld, die Nutzererfahrung des Betriebssystems zu optimieren.

Aus eigenem Interesse. Allein die Xbox-App für den PC mit einem "Compact Mode" zu verbessern wird jedenfalls nicht ausreichen, hier muss man das komplette Betriebssystem sinnvoll an die Geräteklasse anpassen. Das Bewusstsein für einen eigenen Handheld-Modus ist bei manchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Microsofts da, offenbar fehlt noch das grüne Licht von oben.

Reines Streaming? Nein, danke

Genauso wenig Alternative zu Switch und Steam Deck sind reine Streaminggeräte, wie zuletzt der sehr eng abgesteckte Playstation Portal. Was im Besonderen für Sonys Remoteplayer gilt und was ich ausführlich im Test beschrieben habe, ist im Allgemeinen der Grund, warum Streaming noch keine zufriedenstellende Lösung ist. Dass man als Spieler "always on" sein muss, kann an sich schon Diskussionsgrundlage sein, sei an dieser Stelle aber einmal ausgeklammert.

Das Problem ist die zwingende Notwendigkeit einer tadellosen Netzwerkverbindung. Minimale Unterbrechungen werden immer noch mit Bildstörungen, kleinen Rucklern oder Tonproblemen abgestraft, die das Spielerlebnis maßgeblich beeinträchtigen. Ein zusätzliches Problem ist natürlich der Inputlag, also die Verzögerung zwischen dem Betätigen einer Taste und der Umsetzung der entsprechenden Aktion im Spiel. Diese Verzögerung entsteht, weil die Eingaben über das Netzwerk zur Konsole gesendet und dann zum Streaminggerät zurück übermittelt werden müssen. Im Übrigen alles Probleme, mit dem Streaming generell zu kämpfen hat und, daher bleibt es derzeit nur für wenige Spielgenres geeignet.

Überraschung notwendig

Die Machtverhältnisse bleiben also unverändert. Auch für das kommende Jahr ist nicht davon auszugehen, dass die derzeitige Landschaft der Gaming-Handhelds auf den Kopf gestellt wird, eher im Gegenteil. Wer mit dem Angebot unzufrieden ist, muss auf Überraschungen hoffen. Nintendo wird der uneingeschränkte Klassenprimus bleiben und seinen Bestseller möglicherweise schon im Herbst mit einem Nachfolger in den verdienten Ruhestand schicken.

Und für das Steam Deck sind nach dem jüngsten Upgrade auf die OLED-Version hinsichtlich Hardware so schnell keine Neuerungen mehr zu erwarten. Mit laufenden Verbesserungen an der Software wird Valve weiterhin dafür sorgen, dass dem Steam Deck niemand so schnell den Titel als bester PC-Handheld streitig machen kann. Zu Recht. Und welche tragbare Konsole hat es Ihnen angetan? (Benjamin Brandtner, 3.12.2023)