Das Thema Klimawandel ist in der österreichischen Bevölkerung angekommen, und nur eine Minderheit bezweifelt, dass dieser menschengemacht ist. Aber 40 Prozent der Bevölkerung denken dennoch, dass es für Österreich drängendere Probleme gibt. Das sind nur zwei der Ergebnisse einer aktuellen Spezialerhebung, die im Rahmen des neuen Wissenschaftsbarometers der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) durchgeführt wurde.

Nur für jeden Fünften steht der Klimawandel bei den wichtigsten Problemen klar an erster Stelle. Insgesamt landet der Klimawandel hinter dem Gesundheits- und Pflegesystem sowie der Armutsbekämpfung auf Platz vier von sechs abgefragten Themen. Auch interessant: Migration und Bildung rangieren weiter hinten. Befragt wurden von Gallup International 1.500 Menschen in Österreich ab 16 Jahren von 18. September bis 29. Oktober 2023. Das gewichtete Sample war repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung nach den wichtigsten demografischen Merkmalen.

Geringes Interesse an Klimakonferenz

Ernüchternder sind die Umfrageergebnisse zur UN-Klimakonferenz in Dubai: Eine klare Mehrheit von 87 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher glaubt nicht, dass die Konferenz konkrete Ergebnisse bringen wird. Dementsprechend gering ist auch das Interesse an ihr: Fast drei Viertel der Befragten interessieren sich kaum dafür. 39 Prozent sind sogar der Meinung, dass die Menschheit auch bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen über drei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter noch gut leben kann.

Dass es mehr Maßnahmen in Sachen Klimaschutz geben soll, finden zwar 63 Prozent der Befragten und mehr als die Hälfte (58 Prozent) geht auch davon aus, dass die Welt auf eine Klimakatastrophe zusteuert. Gleichzeitig ist fast die Hälfte der Bevölkerung (47 Prozent) der Meinung, dass die Medien diesbezüglich eine übertriebene Stimmung bis hin zur Hysterie erzeugen.

Engagement und (viel) Resignation

Die Bereitschaft, sich beim Klimaschutz zu engagieren, stellt sich ebenfalls unterschiedlich dar. Mehr zu reparieren, weniger neu zu kaufen und die Produkte länger zu benützen – das stößt bei drei Viertel der Bevölkerung auf große Zustimmung. Zudem würden mehr als zwei Drittel der Befragten auf regionale Produkte setzen und mehr als die Hälfte könnten sich vorstellen, auf klimafreundlichere Heizsysteme umzusteigen.

Klimaschutz
Wäre Tempo 100 in Österreich mehrheitsfähig? 39 Prozent würden sich laut einer neuen Umfrage daran nicht beteiligen.
APA/LETZTE GENERATION ÖSTERREICH

46 Prozent wären sogar noch bereit, auf Flug- und Fernreisen zu verzichten. Doch bei Maßnahmen wie Tempo 100 auf Autobahnen (39 Prozent würden sich daran „nicht beteiligen“) oder dem Ausstieg aus dem Verbrennermotor nimmt die Bereitschaft für persönliches Engagement beim Klimaschutz sichtbar ab (49 Prozent dagegen).

Die große Mehrheit der Bevölkerung glaubt allerdings auch nicht, dass der Kampf gegen den Klimawandel noch erfolgreich sein kann. Nur eine kleine Gruppe von elf Prozent hat den Eindruck, dass wir auf einem guten Weg sind, den Klimawandel in den Griff zu bekommen. 60 Prozent sind jedenfalls skeptisch, ob dies noch gelingen wird. Und ein Fünftel hält dieses Vorhaben für vollkommen aussichtslos.

"Wir wollten sehen, in welchem Ausmaß die Ergebnisse der Klimaforschung akzeptiert werden, daher haben wir Fragen dazu in das Wissenschaftsbarometer aufgenommen. Was sich zeigt, ist eine ausgeprägte Ambivalenz bei der Einschätzung des menschengemachten Klimawandels und der Maßnahmen", sagt ÖAW-Präsident Heinz Faßmann zu den Ergebnissen der Umfrage. "Es gibt die Sicht, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels notwendig sind, aber die Chance auf einen Erfolg bei diesen Bemühungen wird als gering eingeschätzt. Das zeigt eine gewisse Resignation."

Video: Was bringt Tempo 100 wirklich?
DER STANDARD

Faßmann: "Motivieren statt alarmieren"

Faßmanns Schlussfolgerungen: "Wir sollten in der Kommunikation zum Klimawandel daher stärker motivieren, statt alarmieren und wir sollten weiterhin faktenbasiert informieren und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Sonst sind Verdrängung oder sogar Leugnung des Klimawandels die problematischen Folgen."

Der Biodiversitätsforscher Franz Essl, Wissenschafter des Jahres 2022, engagiert sich im Rahmen einer öffentlichen Demonstration der Scientists for Future für den Umwelt- und Klimaschutz.
APA/GEORG HOCHMUTH

Ein Engagement von Forschenden beim Thema Klimawandel kann man sich in der Bevölkerung nämlich durchaus in höherem Ausmaß vorstellen. Wissenschafterinnen und Wissenschafter sollten sich demnach bei öffentlichen Vorträgen, mit Beiträgen in Fachjournalen, Kommentaren zu politischen Entscheidungen und der Initiierung von Volksbegehren und Petitionen mit ihrem Fachwissen einbringen.

Auch insgesamt wollen die Befragten, dass die Politik mehr auf die Wissenschaft hört. 66 Prozent wünschen sich, dass politische Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Allerdings: Aktivismus von Forschenden in Sachen Klimaschutz wird von einer deutlichen Mehrheit der Befragten klar abgelehnt.

Wirksame Fehlinformation

Die ÖAW-Umfrage sparte das Thema Fehlinformation zum Thema Klimawandel weitgehend aus. Diese Frage wurde vergangenen Donnerstag in einer neuen Studie im Fachblatt "Nature Human Behaviour" thematisiert: 7.000 Studienteilnehmende aus zwölf Ländern (darunter die USA, GB, Indien oder Australien) wurden für die Untersuchung mit solchen Fehlinformationen konfrontiert. Zudem entwickelten die Forschenden um Tobias Brosch (Uni Genf) verschiedene psychologische Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Desinformationen und testeten deren Wirksamkeit.

Die beiden Hauptergebnisse: Zum einen wirkte sich die Konfrontation mit Fehlinformationen stark negativ auf die Überzeugungen der Teilnehmenden zum Klimawandel, ihre Einstellung zu Maßnahmen gegen den Klimawandel sowie ihr umweltfreundliches Verhalten aus. Zum anderen fanden die Wissenschafterinnen und Wissenschafter kaum Hinweise darauf, dass die psychologischen Gegenmaßnahmen wirksam waren. Tobias Broschs ernüchterndes Resümee: "Fehlinformationen sind also äußerst überzeugend, mehr als wissenschaftliche Informationen." (red, APA, tasch, 4.12.2023)