Salvini Le Pen
Alle Rechten künftig in einer einzigen Fraktion im EU-Parlament? Ja, wenn es nach Matteo Salvini (links) geht. Die Französin Marine Le Pen (rechts) ist da noch skeptisch.
AFP/GABRIEL BOUYS

Seit dem Wahlsieg der italienischen Rechtskoalition im September 2022 ist es der große Traum des Matteo Salvini: Der rechtsnationale Lega-Chef und Infrastruktur- und Verkehrsminister will das "italienische Modell nach Europa exportieren", wie er vollmundig sagt. Das heißt: Er hofft, bei den Europawahlen im kommenden Juni nicht nur auf einen allgemeinen Stimmenzuwachs aller Rechtsparteien – ein durchaus wahrscheinliches Szenario –, sondern vor allem auch darauf, dass sich die Rechten nach der Wahl zusammenschließen und die bisherige (informelle) Koalition aus Europäischer Volkspartei (EVP), Sozialisten (SD) und Liberalen (Renew Europe) in Brüssel ablösen.

Um dem Macht- und Paradigmenwechsel in Europa den Boden zu bereiten, hat Salvini für diesen Sonntag (3. Dezember) das Spitzenpersonal der Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europaparlament nach Florenz eingeladen – eine bewusste Provokation gegen die Linke, die die toskanische Hauptstadt seit Jahrzehnten regiert. Die ID, der Salvinis Lega als stärkste Einzelpartei angehört, versammelt alles, was in Europa unter Rechtspopulisten, Identitären, Trump- und Putin-Fans, Europaskeptikern und Ausländerfeinden Rang und Namen hat: die deutsche AfD, die österreichische FPÖ, den französischen Rassemblement National (RN), die PVV des holländischen Wahlsiegers Geert Wilders, die belgische Vlaams Belang und andere mehr.

Das "italienische Modell", von dem Salvini für Europa träumt, vereint alle Parteien rechts der Mitte. Angeführt wird die Koalition in Rom von den postfaschistischen Fratelli d'Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni, die im Europaparlament der Fraktion der Konservativen und Reformisten (ECR) angehören – wie etwa auch die polnische PiS-Partei und früher die britischen Tories.

Die zweitgrößte Regierungspartei ist die Lega. Ebenfalls in der italienischen Exekutive sitzt die Forza Italia, einst vom kürzlich verstorbenen Silvio Berlusconi gegründet und heute angeführt vom ehemaligen Präsidenten des Europaparlaments, Außenminister Antonio Tajani. Die Forza Italia gehört der konservativen EVP an, der größten Fraktion im Europaparlament.

Mehrheit in Brüssel möglich

Es ist möglich, dass ID, ECR und EVP nach den Europawahlen vom Juni die Sitzmehrheit stellen werden. Zumindest theoretisch wäre in diesem Fall der Export des "italienischen Modells" möglich. Die europäische Politik würde sich bei einem solchen Szenario wohl grundlegend ändern: noch mehr Abschottung, noch weniger Integration – und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch weniger Klimaschutz, als das jetzt schon der Fall ist.

Bloß: Zumindest bisher hat die EVP jegliche Kooperation mit der reaktionären ID ausgeschlossen. Auch Salvinis Ministerkollege Tajani betont bei jeder Gelegenheit, dass dies keine Option sei: Mit Salvini und der Lega könne man in Rom zwar regieren, "aber die AfD und Le Pen sind eine ganz andere Währung", sagt Tajani. Auch Meloni, die persönlich trotz ihrer Partei weniger weit rechts steht als der Hardliner Salvini, zeigt sich skeptisch, was ein Zusammengehen mit der ID anbelangt.

Salvini lässt sich aber nicht entmutigen, zumal sich Meloni bei aller Zurückhaltung alle Optionen offenhält. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von uns in Europa lieber mit (Emmanuel, Anm.) Macron und den Sozialisten regieren wird", erklärt der Lega-Chef. Er wird aber in diesem Moment gerade auch von einigen prominenten europäischen Mitstreitern der ID im Stich gelassen: RN-Chefin Le Pen wird sich in Florenz nur per Videokonferenz zuschalten, und Wilders hat im letzten Moment abgesagt, weil er in der Heimat derzeit intensiv mit der Bildung einer Regierung beschäftigt sei. Das ist generell ein Problem der Souveränisten und Identitären: Die eigene Nation ist letztlich immer wichtiger als europäische Belange.

Immerhin: Aus Deutschland hat sich der Chef der AfD-Bundestagsfraktion, Tino Chrupalla, und aus Österreich der FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky für Florenz angemeldet. Lokale linke Gruppen haben für den Sonntag mehrere Gegenkundgebungen angekündigt. (Dominik Straub, 3.12.2023)