Begehrt, umschwärmt, bedrängt und irgendwie doch zerbrechlich: Maria Callas, der Dirigent Leonard Bernstein eine ganz besondere Bühnenenergie attestierte.
Begehrt, umschwärmt, bedrängt und irgendwie doch zerbrechlich: Maria Callas, der Dirigent Leonard Bernstein eine ganz besondere Bühnenenergie attestierte.
Fonds de Dotation Maria Callas

Paris, 19. Dezember 1958. Im Blitzlichtgewitter betreten Promis erwartungsvoll das Palais Garnier. Unter ihnen? Auch Frankreichs Staatspräsident René Coty, Charlie Chaplin, Brigitte Bardot mit Begleitung und Eduard VIII. mit seiner Frau Wallis Simpson, die er – per Thronverzicht – dem britischen Königreich vorgezogen hatte. Der Jetset fand sich ein, um Maria Callas in einer besonderen Inszenierung zu erleben. Eine integrale Opernaufführung war zwar nicht angesagt. Die 35-jährige Paris-Debütantin trat an diesem Abend allerdings nicht einfach auf. Sie erschien in roter Designerrobe und bekränzt mit Juwelen im Millionenwert. Sie schritt die – mit einem roten Teppich veredelte – Treppe hinunter, um, gesäumt vom Chor, etwa aus Bellinis Norma die Arie Casta Diva zu singen.

Der Auftritt, nun restauriert und koloriert exakt zum 100. Geburtstag der Sängerin ab Samstag im Kino zu erleben, ist erhellend, soll die Wirkung der angeblich "Göttlichen", der "Primadonna assoluta" erklären. Zum Ausdruck kommt ein spezieller Cocktail aus Selbstinszenierung, gespielter Demut, Genussbad im Endlosapplaus und der Hingabe in der Darstellung. Besonders im 2. Akt aus Tosca, in dem Callas den Scarpia erdolcht.

Unverwechselbar dunkel

Noch deutlicher zeigt ein Tosca-Dokument von 1964, was diese 1923 als Maria Anna Cecilia Sophia Kalogeropoulou in New York geborene Tochter griechischer Auswanderer als Künstlerin so prägend erscheinen lässt. In dieser Londoner Covent-Garden-Aufführung war es trotz bereits nachlassender Makellosigkeit der Stimme die expressive Transformation von Tönen in seelische Dramen, die faszinierte. Callas’ Kunst basierte auf einem unverwechselbar dunkel-herben Timbre, das im Zweifelsfall ohne Rücksicht auf Klangschönheit und Stimmbänder eine Opernfigur ins echte Leben zu katapultieren schien.

Warner Classics

Zu diesem Zeitpunkt, 1964, hatte sie bereits wilde Abmagerungskuren hinter sich, mit denen sie Audrey Hepburn nacheiferte. Es dauerte noch vier Jahre, bis sie der Reeder Aristoteles Onassis durch Jacqueline Kennedy ersetzen sollte. Damals, 1964, konnte Callas der Oper, der artifiziellsten aller Kunstformen, noch eine Überdosis Echtheit und Glaubwürdigkeit verleihen. Die zur Antipodin hochstilisierte Renata Tebaldi klang zwar kultivierter. Man nannte sie "Taube" oder "Engel". Callas aber war die "Tigerin", die heute sicher noch als Maßstab gelten kann, wenn es um musiktheatralische Selbstentäußerung geht. Leonard Bernstein, mit dem sie 1953 an der Mailänder Scala in Cherubinis Médée Triumphe feierte (dieser ist auf CD dokumentiert), attestierte ihr "pure Energie". Luchino Visconti sagte, er sei Regisseur geworden, um mit ihr, die sich gleichsam singend auslieferte, arbeiten zu können.

Streit mit Metropolitan Opera

Dass sie als schwierig galt, versteht sich. Divengehabe war allerdings nur ein Aspekt ihres Charakters. Musste sie wegen Krankheit absagen, warf man ihr dennoch Launenhaftigkeit vor. Von der Mutter früh in eine Karriere hineindressiert, was Callas ihr zeitlebens übelnahm, hatte sie sich eigentlich diszipliniert eine makellose Technik erarbeitet. Sie befähigte Callas, deren Anfänge Dirigent Tullio Serafin prägte, das teils vergessene Belcantorepertoire wiederzuerwecken. In Opern von Vincenzo Bellini und Gaetano Donizetti vereinte sie Dramatik und virtuose Geläufigkeit.

Legendär auch ihre Konflikte: Rudolf Bing, der Direktor der Metropolitan Opera, verbannte sie aus dem Haus, angeblich, weil er entscheiden musste, "ob ich die Met leite oder die Callas". Sie allerdings gab zu verstehen, es leid zu sein, immer die gleichen Rollen singen zu müssen und dies unter oberflächlichen Bedingungen. In zehn Vorstellungen von Verdis Macbeth habe sie mit zehn verschiedenen Tenören und Baritonen arbeiten sollen.

Warner Classics

Das war ihre gute Zeit. In den Aufnahmen der Tournee mit Tenor Giuseppe di Stefano von 1973 hört man Callas jedoch als bejubelten Schatten ihrer selbst.

Maria Callas starb am 16. September 1977 in Paris in ihrer Wohnung in der Avenue Georges-Mandel Nr. 36 an einem Herzinfarkt. Sie war 53. Ihrem Wunsch gemäß wurde ihre Asche vor der griechischen Insel Skorpios verstreut, auf der Onassis begraben liegt. Die letzten Jahre der Diva wird bald der Film Maria mit Angelina Jolie – hoffentlich – würdevoll behandeln. (Ljubiša Tošic, 2.12.2023)