Der Tourismus in Österreich verzeichnete einen Rekordsommer mit den höchsten Nächtigungszahlen seit Beginn der Aufzeichnungen. Wien hat mit fast 20 Prozent den größten Zuwachs verbucht. Vergessen sind die kargen Jahre der Pandemie. "Die Menschen lassen sich das Reisen nicht nehmen. Das ist wie die tägliche Hygiene. Und das wird auch nicht weggehen", attestiert Wien-Tourismus-Geschäftsführer Norbert Kettner.

Umbruch und Paradigmenwechsel

Aber kann man den Erfolg des Tourismus tatsächlich mittels der Anzahl der Nächtigungen und des Umsatzes messen – gerade in Zeiten wachsender Kritik gegenüber Flugreisen und Skiliften? Nein, ist sich die Sektionschefin für Tourismus im Wirtschaftsministerium, Ulrike Rauch-Keschmann, sicher. Die Gesellschaft befinde sich in einem Umbruch, vor allem die junge Generation vollziehe einen Paradigmenwechsel. "Junge Menschen stellen sich die Sinnfrage", erklärt Wirtschaftswissenschafter Harald Pechlaner in Bezug auf die zunehmende Kritik gegenüber dieser Sparte. "Es benötigt eine neue Form, den Tourismus zu sehen. Man muss weg vom wirtschaftlich definierten Wohlstand, hin zum gesellschaftlich definierten."

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Landesrat Mario Gerber, Moderator Günther Schimatzek, Ulrike Rauch-Keschmann (Sektionschefin im Bundesministerium), Karin Seiler (GF Tirol Werbung), Harald Pechlaner (Universität Eichstätt / Ingolstadt), Norbert Kettner (Wien Tourismus, v. li.).
Lech Zürs Tourismus / Florian Lechner

Das bedeutet: den Mehrwert des Tourismus über andere Faktoren zu messen, wie die Wertschöpfung, die Dimensionen der Nachhaltigkeit, die Mitarbeiterzufriedenheit und die Akzeptanz unter der Bevölkerung. Aber reicht das, um die etwa dem Wintertourismus gegenüber kritische Masse ins Boot zu holen? Hier bedarf es vor allem der Aufklärung mittels Daten und Fakten. "Nur 1,5 Prozent der Gletscher werden für den Wintersport genutzt. Der CO2-Ausstoß eines Fluges nach Mallorca entspricht einer Woche Skifahren", betonte Karin Seiler, Geschäftsführerin der Tirol Werbung.

Aber auch für die Bevölkerung ist diese Sparte von unschätzbarem Wert, wie der Tiroler Tourismuslandesrat Mario Gerber unterstrich: "In vielen Tälern ist der Tourismus alternativlos, wir können dort keine Fabriken bauen, auch keine Geschäfte, wenn die Kunden fehlen."

Wenig Alternativen zu Flugverkehr

Die Treiber des Tourismus des Landes sind aber die Städte, allen voran Wien. Mehr als 100.000 Arbeitsplätze seien direkt an diese Sparte gebunden. 80 Prozent der Gäste kommen laut Kettner aus dem Ausland, 45 Prozent von ihnen reisen mit dem Flugzeug an, bei den Kongressgästen seien es sogar 75 Prozent – das sorgt für Kritik. "Das können und wollen wir aber nicht komplett ändern", sagt Kettner. "Wien als mittelgroße Stadt in einem kleinen Land braucht die internationale Anbindung." Man forciere aber den Bahnverkehr zwischen den Nachbarländern. (Viktoria Graf, 5.12.2023)