Lkw stauen sich an der rumänischen Grenze.
Lkws stauen sich an der rumänischen Grenze.
APA/AFP/DANIEL MIHAILESCU

In Bukarest gibt es zarte Hoffnung, dass Österreich sein Veto gegen den Schengen-Beitritt aufgeben könnte. Als vielversprechende Geste wurde gewertet, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) dem rumänischen Ministerpräsidenten Marcel Ciolacu am 28. November zu dessen Geburtstag gratuliert habe, schrieben rumänische Medien. Seitdem spricht man von einem Tauwetter zwischen Wien und Bukarest. Ein Jahr nach dem für Rumänien überraschenden Veto Österreichs gibt es zumindest Anzeichen dafür, dass sich etwas bewegt.

Der konservative rumänische EU-Abgeordnete Rareș Bogdan, der Mitglied der mächtigen Europäischen Volkspartei (EVP) ist, zu der auch die ÖVP gehört, meint zum STANDARD, dass "in diesem Moment sämtliche diplomatischen Kanäle zwischen Rumänien und Bulgarien in allen Bereichen wieder geöffnet wurden". Das sei "erfreulich" und mache "etwas Hoffnung". "Es ist ein wichtiger Schritt, wenn man bedenkt, dass diese Verbindungen nach dem 8. Dezember 2022 einige Zeit schon eingefroren waren."

Stufenweiser Beitritt Rumäniens und Bulgariens

Ein Szenario ist ein stufenweiser Beitritt Rumäniens und Bulgariens. So könnten die Passkontrollen zunächst auf den Flughäfen, etwa im März 2024 und dann, vielleicht nach der Wahl in Österreich, an den Landesgrenzen fallen. Entscheidend ist nun, wie das niederländische Parlament auf den Bericht der EU-Kommission zu Bulgarien reagieren wird. Anders als Österreich waren die Niederlande vergangenes Jahr nur gegen den Beitritt Bulgariens und nicht gegen jenen Rumäniens. Die Niederlande haben in der Folge eine Mission der EU-Kommission nach Bulgarien initiiert. Diese legt demnächst einen Bericht vor, er soll Diplomaten zufolge positiv sein.

Falls das niederländische Parlament nun in den kommenden Tagen das Veto gegen Bulgarien aufhebt, wäre Österreich mit seiner Veto-Position alleine. Dann könnte Österreich quasi "stillschweigend", nur innerhalb des Ausschusses der Ständigen Vertreter der EU-Staaten, seine Zustimmung zum Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens geben, also ohne große politische Treffen. Rumänien und Bulgarien würden zudem auf den Wunsch aus Wien eingehen, Migrationsströme an ihrer gemeinsamen Grenze zu stoppen. In einem anderen Szenario könnte am 20. und 21. Dezember oder am 27. und 28. Dezember ein außerordentliches Treffen der EU-Innen- und -Justizminister einberufen werden, und Wien könnte dort dem stufenweisen Beitritt zustimmen. Für einen solchen Sondertermin soll sich auch der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis einsetzen. Iohannis gehört, so wie Nehammer, zur EVP.

Binnengrenzkontrollen

Im Innenministerium in Wien will man davon zurzeit aber nichts wissen. "Wir brauchen mehr Kontrollen, nicht weniger", so ein Sprecher. "Elf Schengen-Staaten führen derzeit Binnengrenzkontrollen durch, Bulgarien ist ein wichtiger Eintrittspunkt für Migranten", beharrt man auf dem Veto.

Das Schengen-Thema wurde jedoch von der Agenda des Gipfels der Innen- und Justizminister genommen, der am Dienstag stattfindet. Denn noch sind keine Entscheidungen möglich. Nach dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU am 14. und 15. Dezember, wo die politisch wichtigen Entscheidungen gefällt werden, könnte sich dann ein neues Fenster auftun.

Warten auf Rutte

"Ein Sondergipfel danach ist nicht ausgeschlossen, ebenso wie eine Abstimmungsentscheidung in den ersten Monaten des Jahres 2024 nicht ausgeschlossen ist", meint EU-Parlamentarier Bogdan. Auch er verweist auf den Plan eines stufenweisen Schengen-Beitritts. "Wir diskutieren über alles und bringen Argumente ein. Für uns ist es wichtig, im Jahr 2024 in den Schengen-Raum einzutreten."

Diplomaten gehen davon aus, dass der vollständige Schengen-Beitritt vor den Wahlen in Österreich im Herbst 2024 nicht möglich sein dürfte, wohl aber bis Ende 2024. Wichtig könnte die Entscheidung des noch amtierenden niederländischen Regierungschefs Mark Rutte im Dezember sein. Denn dieser will Nato-Generalsekretär werden und braucht dafür die Zustimmung von Bulgarien und Rumänien. (Adelheid Wölfl, 4.12.2023)