Wien – Mithilfe eines Bewertungsboards will das Gesundheitsministerium in Zukunft die Anwendung von Medikamenten bundesweit einheitlich regeln. Der Gesetzesentwurf hat bereits für Debatten gesorgt - DER STANDARD berichtete -, bevor im 22. November den Ministerrat passierte und danach im Nationalrat eingebracht wurde. Nächste Woche soll er im Plenum beschlossen werden, nun sorgt er wieder für Aufregung.

Das Board soll laut dem Entwurf neue "ausgewählte hochpreisige und spezialisierte Arzneispezialitäten" grundsätzlich vor deren Anwendung in Spitälern bewerten. Wobei die Zulassung von Medikamenten in Österreich ein eigenes Verfahren ist und bleibt. Dann soll es im Grunde binnen fünf Monaten Empfehlungen abgeben – über Anwendung, Begleitmaßnahmen und über den Zusatznutzen "auf Basis eines Vergleichs mit therapeutischen Alternativen in Zusammenschau mit der Wirtschaftlichkeit".

Verschiedene Medikamente.
Mit einem Bewertungsboard will das Gesundheitsministerium eine einheitliche Anwendung für hochpreisige Arzneimittel.
IMAGO

So solle es laut Gesundheitsministerium nicht mehr vorkommen, dass etwa ein Krebspatient im Westen Österreichs ein Medikament nicht bekomme, eine andere Patientin im Osten aber schon – das werde sich laut Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) mit dem Board ändern. Scharfe Kritik kommt von der Opposition, die Einsparungen bei der Anwendung von Medikamenten befürchtet.

Vor allem die Zusammensetzung des Gremiums, das letztlich über die Empfehlungen berät, stößt der SPÖ sauer auf. "Das soll wissenschaftlich entschieden werden, wer welches Medikament bekommt, und soll nicht preisabhängig sein", betonte SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler im Ö1-"Morgenjournal" am Dienstag.

In dem Board vertreten sein soll je eine Person aus Gesundheitsministerium, Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, Gesundheit Österreich Gmbh, je ein Vertreter je Bundesland und je zwei Personen aus den drei Sozialversicherungsträgern ÖGK, BVAEB und SVS sowie drei Vertreter vom Dachverband der Sozialversicherungsträger. Sie alle sollen "fachkundig" sein, was im ersten Entwurf noch nicht stand. Weiters sind insgesamt drei unabhängige Wissenschafterinnen der Pharmakologie und der Medizin vorgesehen sowie eine beratende Vertreterin der Patientenanwältschaften ohne Stimmrecht.

FPÖ spricht von "Sterbekommission"

Noch härtere Kritik als die SPÖ äußert die FPÖ, die gar von einer "Sterbekommission von ÖVP und Grünen" spricht. Gesundheitsminister Rauch ergötze sich daran, Herrscher über Leben und Tod spielen zu dürfen, wurden die Freiheitlichen im Ö1-"Morgenjournal" zitiert. Die Neos wünschen sich mehr Fachleute im Gremium. Auch Vertreter aus der Onkologie oder von der Krebshilfe äußerten Sorgen, dass der Zugang zu Medikamenten beschränkt werden könnte oder Entscheidungen auf ökonomischer Basis gefällt werden könnten.

Michaela Wlattnig, steirische Patientenanwältin und österreichweit Sprecherin ihrer Kolleginnen und Kollegen, kann dem Bewertungsboard grundsätzlich etwas Positives abgewinnen, denn es sei zu begrüßen, dass ein einheitlicher Einsatz von Medikamenten in Österreich angestrebt wird. Doch auch Wlattnig äußert Kritik an der Zusammensetzung des Gremiums: "Es kann nicht sein, dass man den therapeutischen und medizinischen Nutzen mit dem Kostennutzen abwägt", sagte Wlattnig.

Konkret brauche es innerhalb des Gremiums einen "Ausgleich und Schärfung hin zur Medizin und zur Wissenschaft". Solche Medikamente und ihr Einsatz seien laut Wlattnig hochkomplex, und dafür brauche es viel Kompetenz, die in dem Bewertungsboard auch entsprechend abgedeckt werden müsse. Sinnvoll sei das Board nur dann, wenn es auch tatsächlich zu einer Beschleunigung im Entscheidungsprozess bei der Anwendung eines Medikaments kommt, ohne dass dabei der Patient zu kurz kommt, meint Wlattnig. "Entscheiden kann und muss aber natürlich immer nur der behandelnde Arzt."

Kritik für Rauch "absurd"

Minister Rauch wies die Kritik von sich, schon zuletzt hatte er zu dem Thema mitgeteilt, dass es absurd sei "zu glauben, ich als ehemaliger Krebspatient würde anderen Patient:innen lebenswichtige Medikamente verweigern". Am Dienstag sagte Rauch im Ö1-Mittagsjournal, dass derzeit jedes Krankenhaus selbst die Medikamente beschaffe, das werde nun auf eine solide wissenschaftliche Basis gestellt und das Board gebe seine Empfehlung ab. Die Letztentscheidung bleibe beim Krankenhaus beziehungsweise beim behandelnden Arzt.

Es gebe dann über diesen Ablauf mehr Transparenz und die Entscheidungen würden laut Rauch nach wissenschaftlichem Letztstand getroffen. Dass der Preis entscheide, schließt der Minister aus. Kritikerinnen und Kritiker, beispielsweise aus der Krebshilfe, wolle er zu einem klärenden Gespräch einladen, ließ Rauch in weiterer Folge dann noch wissen.

Ursprünglich sollte es eine Verpflichtung zur Umsetzung der Empfehlungen geben, diese wurde in der finalen Verhandlungsphase zur Gesundheitsreform aber gestrichen. Dass so viele Vertreterinnen und Vertreter der Sozialversicherung Teil des Boards sind, liege daran, dass die einzelnen Systempartner eben gleichmäßig vertreten seien, war weiters aus dem Ministerium zu vernehmen. (spri, ste, 5.12.2023)