Wien – Karoline Edtstadler (ÖVP) kommt ein Vorbild abhanden, wenn die deutsche Transparenz-NGO Frag den Staat erfolgreich ist. Die österreichische Verfassungsministerin möchte ja Journalisten, die wörtlich aus Akten staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren zitieren, mit dem Strafrecht bedrohen. Sie verweist dabei stets auf eine ähnliche Regelung in Deutschland. Frag den Staat hält den Passus im deutschen Strafgesetzbuch aber für verfassungswidrig – und geht dagegen vor.

Karoline Edtstadler
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler will die Pressefreiheit einschränken, um Beschuldigtenrechte zu stärken.
APA/EVA MANHART

Die NGO hat im August Gerichtsbeschlüsse aus laufenden Verfahren gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation und einen Radiosender zitiert. Und das im vollen Bewusstsein, dass sich Chefredakteur Arne Semsrott damit strafbar macht. Sie fordern das Gericht auf, das Verfahren auszusetzen und das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. "Aus unserer Sicht ist die Strafnorm verfassungswidrig und verstößt gegen die Pressefreiheit", schreibt Frag den Staat auf seiner Website. In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Berlin räumt Chefredakteur Semsrott die "Tat" ein, eine Bestrafung scheide aber "aus verfassungsrechtlichen Gründen aus, weil die Norm verfassungswidrig ist".

Auch in Österreich ist Edtstadlers Forderung umstritten, der grüne Koalitionspartner hat eine Umsetzung bereits ausgeschlossen. Die Verfassungsministerin argumentiert ihr Ansinnen mit den Rechten der Beschuldigten, die durch die Berichterstattung eingeschränkt würden. (sefe, 5.12.2023)