Kolumne Mittel-Alter Satire René Benko
Die wirklich reichen Menschen auf dieser Welt sind Charismatiker und kommen kaum zur regelmäßigen Einnahme ihrer Mahlzeiten: René Benko, unterwegs in der Welt des Großkapitals.
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Die Schreckensmeldung vom drohenden Untergang des René-Benko-Imperiums hat viel Häme geweckt. Nichts verschafft zuverlässiger Genugtuung als das Unglück derer, die ihr Schicksal für immer und ewig mit dem Fortunas verquickt glauben. Im besagten Fall trug die Göttin obendrein ein tief ausgeschnittenes türkises Glitzerkleid.

Als kleiner, rundlicher Babyboomer, dem es an nichts mangelte, kannte ich reiche Menschen eigentlich nur vom Hörensagen. Mitschüler, die begütert waren, verschwanden in Villen, die hinter verwunschenen Hecken lagen. Entsprechende Wohngegenden nannte meine Mutter "Cottage". Wobei sie das Wort gedämpft französisch aussprach, was ihm die Anmutung von Frivolität und hautfarbener Reizwäsche verlieh: etwa "Kott-ääsch".

Bewohnt wurden solche Prachthäuser meist von begüterten Witwen, von Veteranen des österreichischen Heimatfilms (Oberförstern, Sennerinnen, Franz-Antel-Nackedeis) – und von André Heller. In dessen Nachbarschaft hauste auch ein Schulfreund von mir: Uns verband eine imponierende Korpulenz, zudem dünkten wir uns beide unrettbar melancholisch. Darüber hinaus besaß sein Vater ein eigenes Bankinstitut.

Sandwich mit Roastbeef

Im Grunde war mein Freund – nennen wir ihn der Einfachheit halber René – freundlich phlegmatisch. Seine mit Roastbeef vollgestopften Pausensandwichs trat er bereitwillig an Hungerleider wie mich ab: Zu Mittag wartete ohnedies ein gesundes kleines Steak auf ihn. Er hielt sein Gewicht. Ich nahm – für die Dauer unserer Bekanntschaft – an Masse fortwährend zu.

Nichts leuchtete mir mehr ein als die zufällige Bemerkung meiner Mutter, in der Regel würden nur arme Schlucker wirklich fett – die wirklich Reichen könnten sich Derartiges gar nicht leisten.

Renés Mutter, eine zauberhaft schöne Frau, hatte in ihrer Jugend als, wie man damals zu sagen pflegte, Mannequin gearbeitet. Meine Mutter hingegen fertigte ihre Kleider nachts, wenn alle schliefen, an der Nähmaschine selbst an. Sie folgte dabei Entwürfen der Zeitschrift Burda ("Mode für Vollschlanke"). (Ronald Pohl, 6.12.2023)