Krankenbett
Ziel des EU-Vorhabens ist, dass EU-Bürger ihre Gesundheitsdaten künftig ganz einfach in allen Ländern der EU nutzen können.
Apa/ Klaus Techt

Datenschützer zeigen sich darüber alarmiert, dass im Rahmen des geplanten europäischen Gesundheitsdatenraums die Möglichkeit zur Abmeldung von der elektronischen Gesundheitsakte (Elga) abgeschafft werden könnte. In einem offenen Brief an Regierungsmitglieder forderte die Datenschutzorganisation Epicenter Works am Dienstag, dass das Recht zum Elga-Ausstieg erhalten bleiben müsse.

Der Appell der Datenschützer richtet sich an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Johannes Rauch (beide Grüne), Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) sowie die Klubobleute und EU-Politiker. "Gesundheitsdaten gehören zu den heikelsten persönlichen Daten jedes Menschen. Deshalb ist es essenziell, dass sie besonders hohen Schutz genießen und man selbst entscheiden kann, ob, wie und von wem die eigenen Daten verarbeitet werden", heißt es darin.

"Zwangsenteignung"

Die Opt-out-Möglichkeit bei der Elga sei "eine große Errungenschaft". "Mit der Einführung des europäischen Gesundheitsdatenraums würde diese gut etablierte Lösung verlorengehen. Das käme einer Zwangsenteignung von Gesundheitsdaten aller 279.337 betroffenen Österreicherinnen und Österreicher gleich, so Epicenter Works.

Gemäß dem geplante europäischen Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space, kurz: EHDS) würde die Primärnutzung von elektronischen Gesundheitsdaten zur Behandlung von Patientinnen und Patienten verpflichtend. Die Sekundärnutzung etwa für Forschung würde zum Standard, kritisieren die Datenschützer.

Ziel des EHDS ist, dass EU-Bürger ihre Gesundheitsdaten künftig ganz einfach in allen Ländern der EU nutzen können. Ärzte könnten damit Krankengeschichten von Patientinnen und Patienten aus anderen EU-Ländern einsehen, wodurch unnötige Untersuchungen vermieden werden könnten. Zweites Ziel ist, dass Forscher, Industrie und öffentliche Institutionen das Potenzial der Daten nutzen können. Kommende Woche soll im EU-Parlament erstmals über den EHDS abgestimmt werden.

Tursky: Opt-out bleibt bestehen

Als Reaktion auf den offenen Brief hat sich Digitalstaatsskretär Tursky am Mittwoch um Beruhigung bemüht. "Ein Aus des Opt-out bei Elga wird es in Österreich nicht geben", betonte er in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Auf der gleichen Linie zeigte sich auch Rauch. Am Rande einer Pressekonferenz betonte er, dass Österreich auf der Beibehaltung der Opt-out-Möglichkeit bestehe. Auch bei der entsprechenden EU-Ratssitzung habe er diese Position vertreten, so der Gesundheitsminister.

Die Bundesregierung stelle sich hier klar auf die Seite der Datenschützer, so Tursky. Die Position: "Wir haben gerade im Digital Austria Act beschlossen, dass alle digitalen Lösungen freiwillig sein müssen und durch hohe Nutzerfreundlichkeit und Transparenz die Nutzerinnen und Nutzer überzeugen." Bei der nationalen Umsetzung des europäischen Raum für Gesundheitsdaten werde Österreich auf dem bestehenden System der elektronischen Gesundheitsakte aufbauen und die Opt-out-Möglichkeit nicht aufweichen.

"Mit Zwang werden wir niemanden von neuen innovativen Lösungen überzeugen", unterstrich der Staatssekretär: "Wir müssen durch hohe Nutzerfreundlichkeit und Transparenz das Vertrauen und die Akzeptanz unserer Bürgerinnen und Bürger gewinnen." Nach Einführung der Elga 2015 sind laut Staatssekretariat aktuell drei Prozent der Österreicherinnen und Österreichischer aus Elga optiert.

Schwerpunkt elektronische Gesundheitsakte

Im Zuge der Gesundheitsreform, die kommende Woche im Nationalrat beschlossen werden soll, werde erneut ein Schwerpunkt bei der elektronischen Gesundheitsakte gesetzt, um den Nutzen für die Bürger zu erhöhen. Dadurch sollen auch Bilddaten (etwa von radiologischen Untersuchungen) sowie jene des Eltern-Kind-Passes, der schulärztlichen Untersuchungen, der Stellungsuntersuchungen beim Bundesheer bis hin zu den Daten der Wahlärztinnen und Wahlärzte einfließen.

"Natürlich nur, wenn das der Bürger, die Bürgerin auch möchte", betonte Tursky: "Zusätzlich wird Elga einfacher: Von einer PDF-Sammlung werden wir die Elga zu einer echten persönlichen Gesundheitsakte entwickeln, mit der nicht nur Ärzte etwas anfangen können, sondern auch die Bürger einen einfachen Überblick über ihre Daten haben."

Auf der gleichen Linie zeigte sich auch Rauch. Am Rande einer Pressekonferenz betonte er, dass Österreich auf die Beibehaltung der Opt-Out-Möglichkeit bestehe. Auch bei der entsprechenden EU-Ratssitzung habe er diese Position vertreten, so der Gesundheitsminister.

"Unethisch, Daten nicht zu nutzen"

Widerspruch zur Regierungsposition kam von Peter Lehner, Obmann der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) und Co-Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger. "Opt-Out bei ELGA darf nicht unantastbar sein. Wir müssen es überdenken und diskutieren dürfen. Die digitale Transformation wird nur dann funktionieren, wenn wir sie konsequent, mutig und nachhaltig durchführen", meinte er in einer Aussendung und warnte vor "halben Lösungen".

Es sei unethisch, die neuen Technologien und Daten nicht zu nutzen, was sowohl für das System, die Gesellschaft als auch den Einzelnen gelte. "Ein Opt-Out kann künftig die Versorgung des Einzelnen gefährden, wenn entscheidende Informationen nicht verfügbar sind", erläuterte Lehner: "Je vollständiger und besser die Daten sind, desto mehr Nutzen schaffen sie - in der Wissenschaft wie in der Behandlung des Patienten." (APA, red, 6.12.2023)