Die Seniorinnen und Senioren atmen erst einmal auf. Bei der Reform der EU-Führerschein-Regeln ist eine verpflichtende Überprüfung der Fahrtauglichkeit im höheren Alter vorerst und wohl langfristig vom Tisch – zumindest abseits der Führerscheine, die man vorwiegend als Berufskraftfahrer braucht, wie jene für das Lenken von Lkw oder Bus.

Foto eines Führerscheins
Derzeit gelten die Führerscheine im Scheckkartenformat 15 Jahre. Seniorinnen und Senioren sollen in Österreich künftig selber einschätzen, ob sie noch fahren können oder den Führerschein abgeben sollten.
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Alle 15 Jahre muss nun der Führerschein neu ausgestellt werden – lediglich damit das Dokument aktuell ist. Auch der Führerschein aus Papier, wie ihn manche noch haben, läuft spätestens am 19. Jänner 2033 aus und muss danach alle 15 Jahre neu ausgestellt werden. Einzelne Länder können die Fristen auch geringer ansetzen – oder eine zusätzliche Überprüfung der Fahrtauglichkeit anordnen, wie das etwa in Italien, Dänemark, Spanien, Portugal oder Tschechien schon passiert. Österreich wird da nicht mitziehen und keine strengeren Regeln als die Mindestanforderung einführen.

Selbsteinschätzung

Die Politik scheut sich davor, die wählerstarke Gruppe der Seniorinnen und Senioren zu vergrämen – ganz ähnlich wie die Autoindustrie die finanzstarken älteren Menschen gerne mobil wissen will. In Österreich soll man sich künftig über eine Selbsteinschätzung dazu befähigen, ein Fahrzeug zu lenken – so man denn einen Führerschein dafür besitzt. Eine Regel, die eigentlich heute schon für alle Altersgruppen und Führerscheinklassen gilt.

Wie ehrlich nun alle ihre Fähigkeit, ein Fahrzeug zu lenken, selbst einschätzen, etwa in dem Moment, in dem sie ihr Auto gerade dringend brauchen, hat niemand seriös erhoben. Aber ein Blick in die Unfallstatistik 2022 zeigt: "Die Altersgruppe, welche am häufigsten für Unfälle verantwortlich zeichnet, ist jene der über 75-Jährigen mit 75 Prozent." Ihnen folgt die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen, in der zwei Drittel aller Unfallbeteiligten als Pkw-Lenker auch unfallverursachend waren. Und: "Gemessen an der Bevölkerungszahl war die Anzahl an Getöteten in der Altersgruppe der über 85-Jährigen mit 130 Getöteten je Million Einwohnerinnen und Einwohner am höchsten, gefolgt von den 75- bis 84-Jährigen mit 68 und den 15- bis 24-Jährigen mit 54 Getöteten je Million Einwohnerinnen und Einwohner."

Gesundheitschecks noch nicht vom Tisch

Der ÖAMTC nahm die getroffene Einigung der EU-Mitgliedsstaaten über die neue Führerscheinrichtlinie positiv auf. "Die altersunabhängige Verpflichtung zur wiederholten Selbsteinschätzung der körperlichen und geistigen Fahrtauglichkeit stellt eine ausgewogene Maßnahme zur Wahrung der Verkehrssicherheit dar, ohne die betroffenen Personenkreise übertrieben zu belasten", sagte dazu ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer, der aber auch davor warnt, sich zu früh zu freuen. Denn am Donnerstag muss der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments noch seine Position abstimmen. Und es gebe deutliche Anzeichen, dass man sich dort für strengere Regelungen und Gesundheitschecks für Seniorinnen und Senioren aussprechen könnte. Zudem fürchtet der ÖAMTC, dass dort auch das Aus der L17-Ausbildung fallen könnte, dank deren man ab dem 17. Geburtstag in Begleitung Auto fahren und den Führerschein machen konnte, oder dass "durch die Hintertür" strengere Tempolimits eingeführt werden könnten. (Guido Gluschitsch, 6.12.2023)