Digitale Distribution ist eigentlich eine super Sache. Wer einen Film zu Hause ansehen, ein Album hören oder ein Videospiel genießen will, muss dafür nicht mehr zum nächstgelegenen Händler ausrücken, in Regalen stöbern und an der Kassa anstehen. Denn dank digitaler Distributionsplattformen sind solcherlei Kulturgüter nur wenige Klicks und einen Download entfernt.

Ein Vorteil, der sich gerade während der vorweihnachtlichen Shoppingschlacht und größten Covid-Welle seit 2020 wohl doppelt auszahlt. Dazu müssen auch weniger Wechseldatenträger und Verpackungen mehr produziert, bespielt, bedruckt und per Schiff, Flieger und Lkw rund um die Welt transportiert werden.

In Sachen Komfort ist das ein großer Gewinn. Möglicherweise auch fürs Klima, obwohl Cloud-Rechenzentren ordentliche Stromfresser sind. Allerdings gibt es ein Problemkind, das Steam, iTunes und Konsorten von Anfang an begleitet. Nämlich DRM, digitales Rechtemanagement.

Nutzungslizenz statt Produkt

Dass Plattformen und Copyright-Inhaber grundlegend sicherstellen wollen, dass ihre Produkte nur von jenen genutzt werden, die sie rechtmäßig erworben haben, ist nachvollziehbar. Jedoch sorgen derartige Mechanismen in Kombination mit verworrenen Lizenzsituationen immer wieder dafür, dass User um ihren digitalen Besitz gebracht werden. Oder um das, was sie dafür halten.

Denn während bei Streamingdiensten vielen bekannt ist, dass das verfügbare Angebot sich regelmäßig ändert und damit vielleicht liebgewonnene Filme, Serien und Musikstücke auf einmal "futsch" sind, scheint sich nicht durchgesprochen zu haben, dass das auch auf gekaufte digitale Güter zutrifft. So wie etwa bei Playstation, wo zum Jahreswechsel Inhalte von Disney Discovery verschwinden, und zwar alle und für alle.

Ausschnitt aus der Spielebibliothek eines Steam-Nutzers.
Valve hat versprochen, im Falle einer Abschaltung von Steam einen Patch zu liefern, der alle Spiele auch ohne die Plattform nutzbar macht. Ob dieses Versprechen wirklich eingelöst würde, steht auf einem anderen Blatt.
DER STANDARD/Pichler

Gekauft müsste dabei allerdings in Anführungszeichen gesetzt werden. Echte Kaufinhalte, bei denen man für etwas zahlt, das man dann vollumfänglich herunterladen und unbegrenzt verwenden kann, sind zwar noch nicht ausgestorben. In vielen Fällen handelt es sich aber gar nicht um eine Transaktion der Sorte "Geld für Eigentum". Sondern im Prinzip um eine Dauerleihe gegen einmaliges Entgelt und unangenehmes Kleingedruckten.

Man erhält dann für den gezahlten Preis nämlich eigentlich nicht das Produkt, sondern eben eine zeitlich nicht limitierte Nutzungslizenz dafür. Das geht so lange gut, wie es die digitale Distributionsplattform noch gibt und solange die Rechteinhaber der dort erhältlichen Inhalte darüber anbieten wollen.

Bis es schiefgeht

Zieht ein Rechteinhaber seinen Content zurück, so bedeutet das im besten Falle, dass alle Abokunden einer Streamingplattform auf diese Inhalte nicht mehr zugreifen können, die Produkte auch nicht mehr zum Kauf verfügbar sind, aber all jene, die sie vorher "gekauft" haben, ihren Zugriff behalten. Es ist aber schon immer wieder vorgekommen, dass das nicht der Fall war. Die monetäre Entschädigung hilft wenig, wenn der Inhalt weg und das Vertrauen in den "Kauf"-Button beschädigt ist.

Die Extremform dieses Szenarios ist freilich die Abschaltung einer Distributionsplattform. Wer heutzutage PC-Videospiele produziert, kommt beim Vertrieb kaum an Steam vorbei. Ein Ende des dahinter stehenden Unternehmens Valve ist zwar nicht abzusehen. Aber auch eine auf zehn Milliarden Dollar geschätzte Firma ist nicht zwangsläufig "too big to fail".

Ihr Gründer und Chef, Gabe Newell, hat für das Eintreten eines solchen Szenarios bereits vorsorglich beruhight. Sollte Steam je abgedreht werden, so sollen alle Nutzer diese vorher noch herunterladen und mithilfe eines letzten Patches in Hinkunft auch ohne Steam-Anbindung spielen können. Und auch wenn Newell dieses Versprechen wohl durchaus ernst meint, zur Einlösung kann ihn niemand zwingen. Gegenüber seinen Usern hat man sich an keiner Stelle dazu vertraglich verpflichtet, eine solche Notlösung zu schaffen.

Doch wie sieht das aus bei EA Origin, Ubisoft Connect, dem Windows Store, Xbox Live, dem Nintendo eShop oder dem Playstation Network? Auch hier würden die Verantwortlichen auf Anfrage wohl erklären, im Falle der Abschaltung eine Lösung zur Freischaltung aller Nutzerinhalte zu liefern. Ohne dies wirklich garantieren zu müssen.

Die Folgen eines Versprechensbruchs würden ähnlich aussehen wie die vorübergehende Sperre, die kürzlich zahlreiche Playstation-Accounts ohne ersichtlichen Grund erwischt hat. Die Nutzer waren plötzlich von ihren Inhalten ausgesperrt und die Spielkonsole von Sony zu einem weitgehend nutzlosen Stück Computer reduziert. Die Betroffenen wurden mittlerweile zwar wieder freigeschaltet, eine Erklärung für den Vorfall hat Sony aber (Stand: Mittwoch, 14 Uhr MEZ) nach wie vor nicht geliefert.

Lösungsansätze

Eine grundlegende Lösung dieser Misere ist nicht einfach, denn dazu bräuchte es wohl gröbere Anpassungen des Lizenzrechts auf internationaler Ebene und regulatorische Eingriffe. Zwei Maßnahmen lassen sich aber ganz ohne diese Vorbedingung umsetzen.

Erstens: Eine Umbenennung des "Kauf"-Buttons dort, wo eigentlich kein Inhalt, sondern eine Lizenz erworben wird. Und zwar nebst klar ersichtlichem Hinweis, ob der Rechteinhaber in der Lage ist, den Inhalt auch für Käufer wieder zu entfernen.

Und die Vertriebsplattformen könnten ihr Versprechen, Kaufinhalte nach Schließung DRM-frei weiter verwendbar zu machen, verbindlich machen. Also sie in die Nutzungsbedingungen schreiben, statt es beim Lippenbekenntnis zu belassen. Eine Garantie ist auch das freilich nicht, aber es erzeugt zumindest eine gewisse Verbindlichkeit, Vorkehrungen für so ein Szenario zu treffen. (Georg Pichler, 7.12.2023)