Paxlovid Tabletten
Paxlovid kann gegen schwere Verläufe bei Covid helfen. Doch viele Apotheken haben nichts mehr von dem Medikament.
IMAGO/Levine-Roberts

Für alte und vulnerable Personen sollte es bei einer Corona-Infektion schnell gehen. Je rascher sie das Medikament Paxlovid einnehmen, umso effektiver lässt sich ein schwerer und womöglich tödlicher Verlauf der Covid-Erkrankung verhindern.

Von "rasch" kann derzeit in Österreich vielerorts aber keine Rede sein: DER STANDARD hat von zahlreichen Betroffenen erfahren, dass sie zuletzt die ärztlich verschriebenen Tabletten in den Apotheken nicht bekommen konnten, weil dort die Vorräte erschöpft seien. Das deckt sich auch mit einem Rundruf bei mehreren Apotheken in Wien, die von einem Mangel an Paxlovid berichten. Der Bedarf der Kundschaft an dem kostenlos abgegebenen Medikament könne in der aktuellen Infektionswelle mitunter nicht gestillt werden.

Auch in Apotheken in St. Pölten zeigen stichprobenartige Erkundigungen dasselbe Bild, in Linz und Graz werden hingegen noch vorhandene Packungen gemeldet. Die Apothekerkammer bestätigte dem STANDARD am Mittwochabend, dass es aktuell regionale Paxlovid-Engpässe gibt.

"Situation ist ernst"

Der Infektiologe Herwig Kollaritsch – er war auch Mitglied des mittlerweile aufgelösten Corona-Beratungsgremiums Gecko – sieht darin eine schlechte Nachricht: "Die Situation ist ernst, namentlich inmitten einer starken Corona-Welle wie derzeit", sagt er. Vor allem ältere Menschen und Personen, die an mehreren chronischen Krankheiten leiden, seien auf das "gut wirksame und verträgliche" Paxlovid angewiesen, wenn sie an Covid erkranken. Zumal der Impfwille in Österreich "enden wollend" ist, wie Kollaritsch hinzufügt.

Doch wie konnte es überhaupt zu diesen Versorgungsmängeln kommen? Für die Wiener Ärztekammer ist klar, dass sich das Gesundheitsministerium nicht gut genug auf die aktuelle Corona-Welle vorbereitet hat: "Es war klar und lange vorhersehbar, dass die Corona-Zahlen wieder steigen werden und es ausreichend Kontingente und Reserven von wichtigen Medikamenten und Impfstoffen braucht", sagt Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte der Wiener Standesvertretung. "Der Gesundheitsminister hat versagt und offenbar aus den Fehlern der vergangenen Jahre überhaupt nichts gelernt". Der Gesundheitsminister müsse nun dringend für Nachschub sorgen.

Tabletten nicht am richtigen Ort

Das Gesundheitsministerium von Johannes Rauch (Grüne) stellt die Lage anders dar: Der Bund habe insgesamt 180.000 Packungen beschafft und via Pharmagroßhandel an öffentliche Apotheken, Hausapotheken und Spitalsapotheken ausgeliefert. Davon seien bis Oktober erst 110.000 an Kundinnen und Kunden ausgegeben worden – macht eine Differenz von 70.000. Die Apothekerkammer teilt zwar teilweise abweichende Zahlen mit, kommt aber im Kern zu einem ähnlichen Ergebnis.

Allerdings kann weder das Ministerium noch die Apothekerkammer auf Anfrage sagen, wie viel davon in den Apotheken momentan noch übrig ist, weil es noch keine Zahlen zum Verbrauch im November und im angebrochenen Dezember gibt. Über den aktuell noch vorhandenen Rest kann somit nur spekuliert werden. Eine Sprecherin des Ministeriums argumentiert, dass rein mengenmäßig noch genug vorhanden sein müsste. Denn seit Paxlovid am Markt ist, seien in keinem einzigen Monat der Pandemie mehr als 15.000 Packungen verbraucht worden. Man rechne daher damit, dass jedenfalls bis Ende Jänner – da läuft auch die Haltbarkeit der beschafften Tabletten aus – ausreichend Paxlovid vorrätig sei.

Allerdings räumt das Ministerium die Existenz von Versorgungslücken für die Patienten vor Ort ein und schreibt: "Wir arbeiten gemeinsam mit der Apothekerkammer an einer Neuverteilung bestehender Vorräte an jene Apotheken, in denen derzeit kein Paxlovid vorrätig ist."

Von Spitälern zu lokalen Apotheken

Der Verband der Pharmagroßhändler (Phago) weiß ebenfalls, dass das wichtige Covid-Medikament derzeit zumindest nicht immer dort ist, wo es gebraucht wird. Der Verband beteilige sich an intensiven Versuchen, Teile der in den Spitälern noch vorhandenen Medikamente in die niedergelassenen Apotheken zu transferieren, heißt es auf Anfrage.

Bei wie vielen Packungen diese Umschichtung gelingen wird, sei derzeit aber fraglich, die Abklärung sei im Laufen. Immerhin dürften die Vorräte auch in den Spitalsapotheken nicht mehr riesig sein, wie von Kennern der Materie zu hören ist.

Neue Bestellung werde geprüft

Phago hat zwar die Lagerung der noch nicht an Apotheken gelieferten Packungen übernommen. Wie groß deren Restmenge im Lager ist, könne man aber nicht sagen, da sich die Vorräte im Eigentum des Bundes befinden. Auch die Herstellerfirma Pfizer verweist auf die Zuständigkeit des Bundes für den Lagerstand.

Das Gesundheitsministerium will jedenfalls parallel zur Umverteilung der Restbestände auch neue Packungen nach Österreich bestellen. Bisher wurden jedoch offenbar abgesehen von den bisher beschafften 180.000 Packungen keine weiteren Tranchen am internationalen Markt bestellt. Laut Ministerium "prüft" der Bund aktuell die Beschaffung zusätzlicher Mengen, um künftig die Versorgung "jederzeit durchgehend sicherzustellen". (Theo Anders, Irene Brickner, 7.12.2023)