In Dubai findet gerade der größte Klimabasar des Jahres statt: Im Rahmen der mittlerweile 28. Weltklimakonferenz geht es ums große Ganze: Wer darf noch wie viel emittieren, damit die Erhitzung möglichst bei 1,5 Grad Celsius eingedämmt werden kann? Der Zeitraum dafür wird knapper – entsprechend groß müssen die Vorlagen sein, die in den kommenden Tagen auf dem Tisch landen.

Wer darf also noch wie viel, wer müsste mehr und wer hätte schon mehr tun sollen? Wenn es um diese Fragen geht, fallen schnell zwei Worte: "Aber China!" Dieser Verweis ist beliebt, wenn es darum geht, Klimaschutzbemühungen im eigenen Land gering zu halten. Warum sollte ein kleiner Staat – wie etwa Österreich – seine Politik ändern, während China jährlich mehrere Milliarden Tonnen an Treibhausgasen in die Luft bläst?

Ein Kohlekraftwerk, ist in Betrieb, während Menschen eine Straße in Dingzhou, Baoding, in der nordchinesischen Provinz Hebei entlanggehen.
China setzt nach wie vor stark auf Kohle und emittiert so viel wie kein anderer Staat. Für viele Politiker ist das ein praktisches Argument, um zu sagen: Solange China es mit dem Klimaschutz nicht ernst meint, müssen wir auch nichts tun.
AP/Ng Han Guan

Das Argument des großen Bösewichts ist verlockend: In keinem anderen Land wird derzeit mehr emittiert. Nirgends spielt klimaschädliche Kohle eine größere Rolle in der Energieerzeugung. Die Logik greift aber zu kurz. China allein wird die Klimakrise nicht bewältigen. Vor allem aber: Ein einzelnes Land verantwortlich zu machen heißt, nur einen Teil der Geschichte zu betrachten. Für den Zustand, in dem sich der Planet heute befindet, ist vor allem der Westen verantwortlich.

Chinas Emissionskurve ging erst in etwa ab dem Jahr 2000 steil nach oben. Zu diesem Zeitpunkt war schon mehr als die Hälfte des globalen CO2-Budgets verbraucht. Gemeint ist damit die Gesamtmenge, die weltweit noch emittiert werden darf, damit das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann. 2011 war jenes CO2-Budget zu 75 Prozent verbraucht, 2022 bereits zu 90 Prozent, wie eine Analyse der Organisation Carbon Brief zeigt.

Eine Zahl, zwei Seiten

Chinas Emissionen sind heute hoch, historisch betrachtet sieht es anders aus: Während in China 2021 rund 30 Prozent der globalen Emissionen entstanden sind, ist es nur für 13 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich, die insgesamt von 1850 bis 2021 erzeugt wurden. Zum Vergleich: Die USA, die wesentlich weniger Einwohner haben, verursachten im selben Zeitraum 19 Prozent aller Emissionen. Noch stärker ist die Differenz bei Indien. Das mittlerweile bevölkerungsreichste Land ist heute für sieben Prozent der Emissionen verantwortlich, historisch betrachtet aber gerade einmal für vier Prozent.

Werden die Emissionen auf Chinas mehr als 1,4 Milliarden Bewohnerinnen und Bewohner heruntergerechnet, verschiebt sich das Bild erneut: China liegt weltweit nur mehr auf Platz 20. Pro Kopf und Jahr fielen 2020 in China laut Weltbank rund 7,8 Tonnen CO2 an. Im Jahr 2000 lag der Pro-Kopf-Wert noch bei 2,7 Tonnen. Angeführt wird die Liste von Katar (31,7 Tonnen), Bahrain (22 Tonnen) und Brunei (21,7 Tonnen). Unter den Top-10-Emittenten pro Person befindet sich auch das Gastgeberland der Klimakonferenz, die Vereinigten Arabischen Emirate.

Angestellte arbeiten am Fließband eines Spielzeugherstellers in China.
Viele der Emissionen, die in China entstehen, fallen für Produkte an, die gar nicht dort konsumiert werden.
REUTERS/GABRIEL CROSSLEY

Der rasante Anstieg der Pro-Kopf-Emissionen Chinas ab 2000 hat einen klaren Grund: Viele der Emissionen, die in China entstehen, fallen für Produkte an, die gar nicht dort konsumiert werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein europäischer Konzern seine Produktionsstätte aufgrund von Kostenvorteilen nach China verlegt. Wenn etwa ein österreichischer Hersteller Fahrräder in China produzieren lässt, sie aber nur am heimischen Markt vertreibt. Nicht durch Zufall begann Chinas Emissionsrallye mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation, durch den die Exportwirtschaft massiv befeuert wurde.

Verantwortung bleibt

All das heißt nicht, dass China von der Verantwortung in der Klimakrise befreit ist – im Gegenteil. Die Regierung in Peking setzt nach wie vor stark auf Kohle und baut Kraftwerke weiter aus. Die Klimaversprechen des Landes sind, wie in den meisten Staaten der Welt, deutlich zu lax. Das zeigt sich derzeit auch wieder auf der Klimakonferenz.

Zudem will China erst 2060 die Nettonull erreichen – allerdings nur, was seine CO2-Emissionen, nicht, was sämtliche Treibhausgase angeht. Diese Unterscheidung könnte laut Climate Action Tracker bis Ende des Jahrhunderts global einen Temperaturunterschied von 0,1 Grad ausmachen. Zugleich baut das Land seine Erneuerbaren massiv aus, die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass die CO2-Kurve in den kommenden sechs Jahren ihren Höhepunkt erreichen soll. Ob das gelingt, ist freilich offen.

China setzt nach wie vor stark auf Kohle und emittiert so viel wie kein anderer Staat. Für viele Politiker ist das ein praktisches Argument, um zu sagen: Solange China es mit dem Klimaschutz nicht ernst meint, müssen wir auch nichts tun. (Nora Laufer, 7.12.2023)