Der Präsident der Klimakonferenz Al Jaber hat mit einer Aussage für Aufregung gesorgt: Es gäbe "keine wissenschaftlichen Belege" dafür, dass der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen nötig sei, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Das sagte Al Jaber während einer Videokonferenz im November, wie die Zeitung "Guardian" und das "Centre for Climate Reporting" berichteten. Dort behauptete er, eine Entwicklung ohne fossile Rohstoffe sei nicht möglich, "außer man will die Welt zurück in die Steinzeit führen".

Auf Anfrage des "Guardian" stritt die COP-28-Präsidentschaft die Äußerungen zunächst nicht ab, teilte aber mit, Al Jaber habe sich darauf bezogen, dass auch der Weltklimarat in seinen Szenarien davon ausgehe, dass fossile Energien im Energiesystem der Zukunft weiter eine Rolle spielten – wenn auch eine kleinere. "Diese Geschichte ist nur ein weiterer Versuch, die Agenda der Präsidentschaft zu untergraben, die klar und transparent ist" und "greifbare Erfolge" verbuche, teilte später ein Sprecher der COP 28 mit.

COP28-Präsident Ahmed Al Jaber konterte auf einer Pressekonferenz am Montag: Er habe großen Respekt vor der Wissenschaft.
AFP/KARIM SAHIB

Auf seine Aussagen angesprochen, antwortete auch Al Jaber am Montag: "Reden wir darüber, wie wir liefern können. Reden wir über das Momentum, über die Fakten vor Ort." Er habe größten Respekt vor der Wissenschaft – nicht zuletzt sei er sowohl Ingenieur als auch Wirtschaftswissenschaftler. Bis 2050 müsse die Netto-Null erreicht sein, sagte er. Dazu müsse die Öl- und Gasindustrie deutlich mehr liefern. Auf einen dezidierten Ausstieg ging er nicht ein.

Auch der Vorsitzende des Weltklimarates IPCC, Jim Skea, saß am Podium. Er wiederholte die nötigen Ausstiegspfade für fossile Brennstoffe: Bis 2050 müssten Kohlekraftwerke – sofern ihre Emissionen nicht vollständig eingefangen werden - eingestellt sein. Die Nutzung von Erdöl müsse bis 2050 um 60 Prozent reduziert werden, und jene von Erdgas um 45 Prozent. "Ich hatte Gespräche zur Wissenschaft mit dem Sultan", meinte Skea. "Er hat die Wissenschaft aufmerksam verfolgt." Und Al Jaber ergänzte: "Beurteilen Sie uns danach, was wir am Ende liefern."

Die führende Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College London sagte zu dem Thema dem "Guardian": "Wenn der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen auf der COP 28 nicht gelingt, werden mehrere weitere Millionen Menschen in die Schusslinie des Klimawandels geraten." Dies wäre "ein schlimmes Vermächtnis" für die Konferenz in Dubai.

Kritik von Al Gore

Der frühere US-Vizepräsident und Klimaschutzvorkämpfer Al Gore hat den Gastgeber wegen seines Treibhausgasausstoßes angeprangert. "Die Abu Dhabi National Oil Company behauptet noch immer, keine Methanemissionen oder andere vom Transport von Öl und Gas zu haben. Nun, tatsächlich haben sie welche. Wir können sie aus dem Weltraum sehen", sagte Gore am Sonntag im Plenum der Konferenz in Dubai. Die Position der VAE als Gastgeber von internationalen Verhandlungen über die globale Erwärmung sei ein Missbrauch des öffentlichen Vertrauens.

Gore zeigte dabei auf großen Bildschirmen Satellitenbilder von den Orten mit dem größten Treibhausgasausstoß in den VAE. Andere Karten zeigten Pipeline-Lecks. Die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) wird von Sultan Ahmed Al Jaber geleitet, der Konferenzpräsident der 28. Weltklimakonferenz (COP 28) ist. Klimaaktivisten hatte dessen Ernennung in das Amt verärgert.

Gore und die von ihm mitfinanzierte Organisation Climate Trace hatten eine Botschaft in Dubai: Niemand kann seinen Treibhausgasausstoß mehr verstecken. Mit einem Netzwerk aus 300 Satelliten und künstlicher Intelligenz (KI) kann Climate Trace die Emissionen von mehr als 352 Millionen Standorten aus zehn Industriezweigen überwachen.

Nach den Daten der Gruppe stiegen die Treibhausgasemissionen der VAE im Jahr 2022 um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weltweit stiegen sie nur um 1,5 Prozent.

Verhandlungen über fossile Energieträger

Gore lobte indes die Initiative von 50 Öl- und Gasunternehmen, darunter auch Adnoc, ihre Methanemissionen auf "nahezu null" zu reduzieren. Diese Zusage bezeichnete Gore als "wunderbar". "Aber wir werden messen, ob sie diese einhalten oder nicht", kündigte er an.

Die von Climate Trace am Sonntag veröffentlichten Daten zeigen, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen zwischen 2015, dem Jahr des Pariser Klimaabkommens, und 2022 um 8,6 Prozent stiegen. Nur fünf Länder – China, die USA, Indien, Indonesien und Russland – waren für 75 Prozent des Ausstoßes verantwortlich. China allein verantwortete fast die Hälfte des weltweiten Anstiegs.

Gore warnte, dass die Länder sich zu einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen verpflichten müssten, wenn die diesjährige Weltklimakonferenz als "historischer" Erfolg gewertet werden solle. Bei dem bis zum 12. Dezember andauernden Treffen laufen harte Verhandlungen zur Zukunft der fossilen Energien.

Der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen sei "die Lösung für die Klimakrise", sagte Gore unter Applaus. Zusammen mit dem Weltklimarat IPCC war Gore im Jahr 2007 für die Bemühungen, das Bewusstsein für den Klimawandel zu stärken, mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. (alp, lauf, APA, 3.12.2023)