Als Wladimir Putin am Mittwoch in Abu Dhabi landete, stand die Kamelkavallerie schon bereit. Mit allen Ehren wurde der russische Präsident in den Vereinigten Arabischen Emiraten empfangen. "Dank Ihrer Haltung haben unsere Beziehungen heute ein noch nie da gewesenes Niveau erreicht", ließ er den dortigen Präsidenten, Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, dann auch wissen.

Ebenso herzlich fiel die Willkommensshow beim nächsten Stopp in Riad am selben Tag aus, wo Putin dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) betont lange die Hand schüttelte – noch am Vortag mussten Vertreter diverser Länder im Kreml mehrere Meter Abstand halten. Auch in Saudi-Arabien fand man nur warme Worte: "Nichts kann die Entwicklung unserer freundschaftlichen Beziehungen stören", ließ sich Putin von der russischen Agentur Tass zitieren.

Nicht nur die Länge der Unterredung mit MbS – fast drei Stunden nämlich – überraschte. Auch der nicht einmal 24-stündige Trip selbst sorgte international für Aufhorchen. Denn seit Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat, verreist der Kreml-Chef äußerst selten. Seit März schränkt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) seine Reisemöglichkeiten weiter ein. Seit dem Überfall auf die Ukraine ist er nur nach China, in den Iran und in ehemalige Sowjetstaaten wie jüngst Kirgisistan gereist. Keines dieser Länder ist Vertragspartei des IStGH.

Gemeinsame Ölinteressen

So stellte der Kurztrip an den Golf eine willkommene Gelegenheit dar, sich trotz des Konflikts in der Ukraine auf dem internationalen Parkett zu präsentieren. Nach Angaben aus Moskau stand bei der Reise unter anderem die Kürzung der Ölfördermenge, wie sie zuletzt vom Ölkartell Opec+ beschlossen wurde, im Fokus. Russland und Saudi-Arabien sind die weltweit größten Ölexporteure. Beide profitieren von einem hohen Ölpreis – ein Fünftel des weltweit geförderten Öls kommt aus einem der beiden Länder. Bei der Reise ging es aber wohl nicht ausschließlich um Öl. "Wir teilen viele gemeinsame Interessen", zitierten saudische Medien MbS am Donnerstag. Man arbeite gemeinsam "zum Nutzen Russlands, des Königreichs Saudi-Arabien, des Nahen Osten und auch der Welt", blieben konkrete Angaben dabei aber aus.

Dass Putin von der Eskalation im Nahen Osten profitiert, wurde schon oft gesagt. Zum einen zieht der aufgeflammte Konflikt Aufmerksamkeit und mögliche Finanzhilfen vom Ukrainekrieg ab. Aber seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober wurde auch immer deutlicher, dass Russland hier eine weitere Gelegenheit sieht – nämlich sich als Friedensstifter zu profilieren.

Enge Kontakte zu Hamas

Russland hat traditionell mit Israel ein relativ gutes Verhältnis, vor allem seit Premierminister Benjamin Netanjahu an der Macht ist. Dieser hat den Krieg in der Ukraine aber nicht unterstützt, zum Ärger Moskaus. Die russischen Machthaber pflegen gleichzeitig seit Jahren Kontakte zur Hamas, die in Russland nicht als Terrororganisation gilt. Als sich die Konfliktparteien erstmals seit der Eskalation in Gaza auf eine mehrtägige Waffenruhe einigten, ließ die Hamas auch russische Geiseln beziehungsweise solche mit israelisch-russischer Doppelstaatsbürgerschaft frei. Die Hamas erklärte das ausdrücklich als "Geste an Putin", dessen Haltung sie damit würdigen wolle. Putin hatte den Angriff der Hamas auf Israel nicht dezidiert verurteilt.

So strebt Putin eine "multipolare Weltordnung" an – ein Schlagwort, mit dem er die Herausforderung einer US-amerikanischen Vorherrschaft meint. In den vergangenen Jahren vertiefte Moskau dafür seine Nähe zu China und dem Iran. Konflikte wie jener in Nahost werden dabei zum Spielfeld. Schon bei seiner Rückkehr nach Moskau verlautbarte Putin am Donnerstag, dass die Welt "in eine Ära radikaler Veränderungen und ernster Herausforderungen" eingetreten sei. Gewinner werde dabei als "Wachstumszentrum" Russland sein. Am selben Tag noch empfing er den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi im Kreml.

Ukraine besorgt über schwindende Hilfe

Die Ukraine verfolgt all dies mit Sorge. Ende Oktober reiste Wolodymyr Selenskyj nach Brüssel, um für die weitere Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland Werbung zu machen. Dabei setzte er die Hamas mit dem "Terrorstaat" Russland gleich, der Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübe und sich dabei vom Iran unterstützen lasse.

Wie das Kiel Institut für Weltwirtschaft am Donnerstag berichtete, sinken die Hilfsgelder für die Ukraine deutlich. Neu zugesagte Hilfe aus dem Westen ging zwischen August und Oktober 2023 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahrs um fast 90 Prozent zurück.

Angesichts der Ungewissheit über weitere US-Hilfe könne die Ukraine nur hoffen, dass die EU ihr seit langem angekündigtes 50-Milliarden-Euro-Hilfspaket verabschiede, sagt Institutsleiter Christoph Trebesch zur APA: "Eine weitere Verzögerung würde Putins Position deutlich stärken." (Anna Sawerthal, 7.12.2023)