Mozarteum
Widmen sich nicht nur Mozart: Sopranistin Anna Prohaska (li.) musiziert mit dem Mozarteum Orchester, Joana Mallwitz (Mi.) dirigiert die Philharmoniker, und Geigerin Anne-Sophie Mutter (re.) trifft die Camerata Salzburg und die Wiener Klangkünstler.
Fotos: Lund, Schuller, Borggreve

Der Klang des Genius und seiner "Neider"

Die zentrale Festivalsonne, Wolfgang Amadeus Mozart, soll weiterhin das strahlende Hauptanliegen von Intendant Rolando Villazón bleiben. In den kommenden Jahren will er jedoch ergänzend und umrahmend auch andere Tonsetzer ins Programm der Mozartwoche hereinstrahlen lassen. Sie werden Mozarts Leben und Werk um zusätzliche Aspekte erhellen. 2024 startet das Festivalprojekt mit Komponist Antonio Salieri, dessen Beziehung zu Mozart als speziell angesehen wird: "Kein Zeitgenosse wird so oft in einem Atemzug mit Mozart genannt wie er. Deshalb ist Salieri die erste und beste Wahl, um den 'Mozart pur'-Zyklus aufzubrechen", erklärt Villazón.

Das ganz spezielle Verhältnis der beiden werde "mit Konzerten, aber auch in Oper, Schauspiel, Film und anderen spannenden Formaten" behandelt werden, so Villazón, der zu Salieris Stellung in der Musikgeschichte meint: "Er war ein großer Komponist, der leider nur das Pech hatte, Zeitgenosse gleich dreier musikalischer Genies zu sein, Beethoven, Haydn und Mozart."

Salieri war Beethovens Lehrer, "er dirigierte – kurz vor dessen Ableben – die letzte Huldigung an Haydn. Was Mozart betrifft, entspann sich eine Legende rund um Neid, Feindschaft und Mord, die noch heute in vielen Köpfen festsitzt. Interessante Werke sind im Nachgang aus dieser Legende geboren worden, drei davon werden bei der Mozartwoche 2024 zu erleben sein", erzählt der Intendant.

Mozarteum
Intendant Rolando Villazón: Programmideen, die über Mozart hinausgehen.
Lienbacher

Das Thema Salieri/Mozart findet sich somit auch szenisch abgehandelt: Peter Shaffers Theaterstück Amadeus wird am Salzburger Landestheater gezeigt. Neu herausgebracht wird auch Nikolai Rimski-Korsakows Oper Mozart und Salieri am Marionettentheater Salzburg. Und Miloš Formans oscargekrönte Verfilmung Amadeus ist auch zu sehen. Sie ist mitverantwortlich für das Konkurrenzbild der beiden, für die Behauptung, es habe das Genie Mozart für Salieri die traumatische Erkenntnis der eigenen Mittelmäßigkeit bewirkt – samt Wunsch, Mozart zu zerstören. Unvergessen Fahrid Murray Abraham als alter Salieri und Tom Hulce als kindisch-verspielter Wunderknabe. Natürlich, mit historischen Fakten hat der Film wenig zu tun. Salieri (1750 bis 1825) war kein Kleinmeister. Er war erfolgreich, seine Karriere brachte ihn an den kaiserlichen Hof, wo er Kapellmeister und später Hofmusikdirektor war. Salieris Werke erfreuten sich auch großer Beliebtheit. Seine Oper Axur stand bis 1805 mehr als hundertmal auf den Spielplänen in Wien.

Mozart hingegen waren höhere Funktionen nicht vergönnt. Er blieb freier Künstler und musste sich mit dem Titel eines k. k. Hofmusicus abfinden. Zwischen den beiden herrschte wohl so etwas wie ein kollegiales Konkurrenzverhältnis. Verbürgt ist natürlich der musikalische Opernwettstreit 1786 am Kaiserhof, den Salieri mit seinem Werk für sich entschied. Das Verhältnis der beiden Komponisten wird auch im Konzertbereich mit prominenten Künstlern und Künstlerinnen thematisiert: Die Wiener Philharmoniker werden u. a. von Joana Mallwitz dirigiert, Geigerin Anne-Sophie Mutter trifft ebenfalls auf die Wiener Klangkünstler. Mozart und Sa­lieri stehen auch beim Abschlusskonzert des Festivals im Zentrum, wenn das Mozarteum­orchester Salzburg mit Dirigent Ivor Bolton und Sopranistin Anna Prohaska musiziert.

Ja, und Rolando Villazón hat zusammen mit Bettina Geyer eine halbszenische Opernaufführung von La clemenza di Tito erarbeitet. Nähere Informationen unten. (tos)

Jordi Savall
Dirigent Jordi Savall widmet sich zum ersten Mal in seiner langen Karriere Mozarts Oper "La clemenza di Tito".
photo: © Philippe Matsas

Spätes Debüt für einen Doyen

Es war ein Angebot, das man eigentlich nicht ablehnen konnte – und doch verpasste ihm Antonio Salieri einen Korb. Nein, er werde die Oper für Kaiser Leopold II. anlässlich von dessen Krönung zum König von Böhmen nicht komponieren – auch wenn sich der gesamte Hochadel im Prager Opernhaus tummeln würde, ein fürstliches Produktionsbudget zur Verfügung stand und ihm selbst Geld, Prestige und Beifall winkten. Es gab da eben eine Ressource, die mangelhaft vorhanden war, und das war: Zeit. Die Anfrage war im Juli 1791 an Salieri ergangen, bereits zwei Monate später, so sah es die Planung vor, sollte das Werk "eines berühmten Meisters" in Prag aus der Taufe gehoben werden. Die Uhr tickte also laut – zu laut für Salieri, den Kapellmeister der kaiserlichen Hofmusikkapelle in Wien.

Der Freelancer Mozart willigte dagegen ein – und lieferte mit seiner Blitzkomposition auch den erhofften Geniestreich. Dabei erleichterten ihm einige Umstände das Vorankommen: Die Suche nach einem Textbuch entfiel, da für den Fall von Zeitdruck eine Neuvertonung von Metastasios La clemenza di Tito vereinbart war, bei höfischen Festen beliebt wegen der hochherzigen Hauptfigur. Außerdem: Das Schreiben der Secco-Rezitative – jener melodiearmen Gesänge ohne Orchesterbeteiligung, die den Plot vorantreiben – hat Mozart an einen Helfer, vermutlich seinen Schüler Franz Xaver Süßmayr, ausgelagert. Dieses Outsourcing hatte zwar einen Pferdefuß: Man hört es. Doch es trug dazu bei, den Zeitplan für ein unbestrittenes Meisterwerk einzuhalten. Es ist vor allem die psychologische Feinzeichnung der Figuren, die Mozarts Tito über andere Vertonungen des Traditionsstoffes stellt; die gestraffte Textfassung von Caterina Tommaso Mazzolà half zudem, den Barockstaub von Metastasios Libretto zu fegen. Die Mozartwoche hat für ihre Neuproduktion Jordi Savall gewonnen. Der 82-jährige katalanische Doyen der Alten Musik wird die Oper zum allerersten Mal dirigieren: Wenn er die Premiere am 25. Jänner mit seinem Ensemble Le Concert des Nations bestreitet, dürfte sicher eine ausdrucksstarke Interpretation jenseits tradierter Hörerwartungen zu hören sein.

Die edle Besetzung? Edgardo Rocha verkörpert den milden Kaiser Tito, Hanna-Elisabeth Müller die intrigante Vitellia, Magdalena Ko­žená den tugendhaften, doch beeinflussbaren Sesto; Christina Gansch leiht der Servilia ihre Stimme, Marianne Beate Kielland dem Annio und Salvo Vitale dem Publio.

Intendant Rolando Villazón und Bettina Geyer verantworten auf der Bühne der Felsenreitschule eine halbszenische Aufführung mit Kostümen, Requisiten und Kulissenbild. Einen König im Publikum gibt es heute natürlich nicht mehr. Als moralischer Ansporn hat die Geschichte vom unerschütterlich gnädigen Monarchen aber noch lange nicht ausgedient – gerade in Zeiten von Shitstorms, Pöbeleien und Polarisierungen in den "sozialen" Medien und der realen Welt ... (irr) Ab 25. 1.

Mozarteum
Bratschist Antoine Tamestit (li.) widmet sich der Kammermusik, Dirigent Andrés Orozco-Estrada (Mi.) trifft die Wiener Philharmoniker, und ebendies wird auch der junge Maestro Lahav Shani (re.) tun, der sich in Beethoven und Mozart vertiefen wird.
Mignot, Kmetitsch, Borggreve

Der Vergleich macht Sie sicher

Während der Regentschaft von Joseph II. gab es zwischen Antonio Salieri und Mozart, zwischen dem renommierten Kapellmeister und Hofmusikdirektor und dem Salzburger k. k. Hofmusicus Berührungs- und auch Reibungspunkte. An einem Tag aber kulminierte die Konkurrenz der beiden sogar in einem öffentlichen Wettstreit: Am 7. Februar 1786 ließ der Habsburgerkaiser in der Orangerie von Schloss Schönbrunn auf zwei gegenüberliegenden Bühnen (nachein­ander) Einakter aufführen. Prima la musica e poi le parole von Salieri traf auf Mozarts Der Schauspieldirektor, italienische Opera buffa auf deutsches Singspiel. Wem sollte die Zukunft auf den Wiener Bühnen gehören? Salieri obsiegte an diesem Abend in der Gunst des Pu­blikums, Mozart in den darauffolgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten.

Die Philharmoniker erinnern in einem ihrer drei Auftritte an dieses Ereignis. Unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada stellen sie Szenen dieser Opernpersiflagen gegenüber, unterstützt von einem hochkarätigen Solistenquartett. Wie zu Kaisers Zeiten wird auch Haydns 1. Cellokonzert zu hören sein, interpretiert von Sol Gabetta (3. 2.). Der komparatistische Reigen, der die Mozartwoche durchzieht, beginnt natürlich beim Eröffnungskonzert. Hier trifft Salieris Sinfonia Il ­giorno onomastico auf Mozarts Jupiter-Symphonie. Das Mozarteumorchester Salzburg interpretiert mit dem designierten Chefdirigenten Roberto González-Monjas. Mozartwochen-Intendant Rolando Villazón wird moderieren und zwei Mozart-Arien geben (24. 1.).

Auch die Camerata Salzburg bietet Werke beider Komponisten: Unter der Leitung von François Leleux folgen auf Salieris Konzert für Flöte, Oboe und Orchester in C-Dur ein Andante sowie ein Rondo für Flöte und Orchester von Mozart mit Emmanuel Pahud (28._1.). Beim Gastspiel des Danish Chamber Orchestra mit Adám Fischer wiederum kann man versuchen zu ergründen, ob Salieris Kenntnis der Lagunenstadt in der Sinfonia La Veneziana herauszuhören ist und wie viel Linz in Mozarts Linzer Symphonie steckt (30._1.). Auch beim Auftritt des Akademieorchesters des Mozarteums hört man eine beliebte Städte-Symphonie Mozarts, die Prager. Zuvor erklingt die Ouvertüre von Salieris Oper Axur, re d’Ormus (31. 1.).

Bewährtes und Newcomer

Mehr noch: Es interpretieren das Chamber Orchestra of Europe und Kirill Gerstein Salieris Klavierkonzert in B-Dur und Mozarts d-Moll-Klavierkonzert KV 466 (1._2.). Und auch das Kammerorchester Basel und Giovanni Antonini betätigen sich auf dem weiten Feld der vergleichenden Musikwissenschaft: Zwischen zwei Salieri-Ouvertüren rührt Sabine Meyer die Herzen mit Mozarts Klarinettenkonzert (3. 2.). Und auch beim Abschlusskonzert des Mozarteumorchesters (Leitung: Ivor Bolton) findet neben Werken von Bach und Mozart auch Salieri Anklang (4. 2.).

Doch auch abseits des von Film und Fama zum Fiesling erklärten Salieri wissen die Orchesterkonzerte zu begeistern. Joana Mallwitz feiert mit den Philharmonikern (und Pianist Igor Levit) ihr Festival-Debüt (27. 1.). Mit Lahav Shani, Anne-Sophie Mutter und Michael Barenboim sind die Philharmoniker ebenfalls zu erleben (31. 1.). Von Kopf bis Fuß auf Mozart eingestellt ist die Cappella Andrea Barca samt Sir András Schiff (27. & 28. 1.). Kammermusik? Erstmals musizieren etwa die Geigerin Isabel Faust, der Bratschist Antoine Tamestit, der Cellist Jean-Guihen Queyras und der Pianist Kristian Bezuidenhout gemeinsam (26. 1.). Das Baborák Ensemble macht auch mit einem Werk des gebürtigen Pragers Anton Reicha neugierig (29._1.). Neben dem Hagen Quartett kann man sich auch auf Salzburger Newcomer wie das Javus Quartett freuen. Was das ewig junge Herz des Festivals, Mozart, sicher ganz besonders gefreut hätte. (sten)

Mozarteum
Mozart, wie ihn wahrscheinlich Gianbettino Cignaroli sah: Im Rahmen der Sonderausstellung ist im Mozart-Wohnhaus ein Porträt des Genius öffentlich zu sehen
Juan Cruz Ibanez

Bitte nicht lächeln!

Wenn einer eine Reise tut, so macht er 100 Selfies. Heutzutage. Im 18. Jahrhundert musste mehr Aufwand betrieben werden, um beim Aufenthalt im Ausland bildlich festgehalten zu werden. Als Mozart mit seinem Vater seine erste Italienreise unternahm – sie sollte 15 Monate dauern –, wurde der Wunderteenager glücklicherweise porträtiert.

Und zwar gleich zu Beginn der Un­ternehmung, in Verona: Am 5. Jänner 1770 hatte Mozart für die Philharmonische Gesellschaft der Stadt konzertiert, und danach am Dreikönigstag saß der junge Künstler Modell – wahrscheinlich für Gianbettino Cignaroli. Auftraggeber für die Arbeit war ein venezianischer Finanzbeamter. Das nachträglich angefertigte Porträt zeigt einen mondgesichtigen 13-Jährigen mit bleichem Teint und ebensolcher Perücke, angetan mit einem prunkvollen roten Rock. Das wertvolle Porträt im Besitz eines asiatischen Sammlers hat nach langen Jahren den Weg zurück in die Geburtsstadt des Musikgenies gefunden.

Es ist nun als Dauerleihgabe in den Mozart-Museen zu sehen und wird dort die einzigartigen Sammlungen an Originalen ergänzen und bereichern. Den Anfang macht das Mozart-Wohnhaus, in dem das Gemälde bei der Sonderausstellung Mozart in Verona zu bestaunen ist. Das Porträt zeigt Mozart an seinem Arbeitsgerät. Auf dem Notenpult eines Cembalos liegen zwei Blätter eines Werks, das sich ebenfalls als ein echter Mozart entpuppte: ein Molto allegro in G-Dur für Klavier, das später als Veroneser Allegro in die dritte Auflage des Köchel-Verzeichnisses aufgenommen wurde. Es ist ein funkensprühendes Stück, das durch die Verewigung in Öl ebenfalls die Zeitläufte überdauert hat. (sten) (Ljubiša Tošić, Christoph Irrgeher, Stefan Ender 8.12.2023)