Bundeskanzleramt im Schnee.
Wer zieht nach der nächsten Wahl ins Bundeskanzleramt ein? Wer nicht regieren sollte, ist einfacher zu beantworten, als Mehrheiten zu finden, mit denen man überhaupt eine Regierung bilden kann.
APA/ROLAND SCHLAGER

Ältere Österreicherinnen und Österreicher werden sich noch an die Zeiten der großen Koalition erinnern: Von 1947 (da schied die KPÖ aus der Konzentrationsregierung aus) bis 1966 (da bildete Josef Klaus eine ÖVP-Alleinregierung), von 1987 bis 2000 und noch einmal von 2007 bis 2017 regierten ÖVP und SPÖ gemeinsam – über weite Strecken mit einer Zweidrittelmehrheit der Stimmen im Nationalrat, die für Verfassungsbestimmungen notwendig ist. Derartig "Großes" ist nach der Nationalratswahl 2024 kaum vorstellbar.

Zur Erinnerung: Die FPÖ kommt nach der aktuellen Market-Hochrechnung auf 30 Prozent der Stimmen, die SPÖ auf 24 und die ÖVP auf 20 Prozent. Alle anderen Parteien kommen allenfalls zum Zuge, um in einer Dreierkoalition mit der ÖVP Mehrheitsbeschaffer zu werden – das Linzer Market-Institut weist die Neos mit elf Prozent aus, die Grünen mit acht, die Bierpartei (falls sie antritt) mit drei, die KPÖ mit zwei und allfällige andere Kleinparteien mit zwei Prozent.

Rechnerisch am nächstliegenden wäre eine blau-rote Koalition, sie hätte die besten Chancen auf eine Mandatsmehrheit. Aber abgesehen davon, dass die parlamentarische Zusammenarbeit gegen die derzeitige ÖVP-geführte Koalition sehr gut funktioniert, ist eine FPÖ-SPÖ-Regierungszusammenarbeit für die führenden Exponenten der Parteien nicht vorstellbar. Und für die österreichische Wählerschaft auch nicht.

FPÖ kaum Partnerwunsch

DER STANDARD ließ 800 Wahlberechtigte fragen: "Wie könnte eine Regierungsbildung mit der FPÖ aussehen? Die Freiheitlichen werden im Fall einer Regierungsbeteiligung ja Koalitionspartner brauchen. Mit welcher Partei ist eine Zusammenarbeit der FPÖ denkbar, mit welcher eher nicht?" Nur die ÖVP wird mehrheitlich – von 52 Prozent – als denkbarer Koalitionspartner der Freiheitlichen gesehen. Und das praktisch in allen Bevölkerungsgruppen, wobei die freiheitlichen Wähler selbst am stärksten geneigt sind, die ÖVP als Koalitionspartner zu akzeptieren. Bei günstiger Wahlarithmetik – wenn wenige Kleinparteien ins Parlament kommen – wäre eine blau-türkise Regierung immerhin rechnerisch möglich.

Drei Grafiken zu möglichen Koalitionen
Wem wird welche Zusammenarbeit zugetraut?
DER STANDARD/Umfrage Market-Institut

Die mit der größten Mehrheit ausgestattete Partnerschaft FPÖ-SPÖ halten nur 21 Prozent für denkbar, 66 Prozent für eher nicht denkbar (der Rest der Befragten macht keine Angabe). Noch stärker wird die Ablehnung, wenn man umgekehrt fragt, ob die FPÖ als Partner für die SPÖ infrage käme: Das lehnen 71 Prozent ab, nur 17 Prozent halten das für denkbar.

Der am stärksten favorisierte Koalitionspartner für die SPÖ sind in dieser Fragestellung die Grünen (52 Prozent) vor den Neos (48 Prozent) und der ÖVP mit 43 Prozent. Aber eine Mehrheit Rot-Pink-Grün ist im Moment nicht vorhanden – was sich nach einem Wahlkampf jedoch ändern könnte.

Market-Wahlforscher David Pfarrhofer: "Rechnerisch ginge sich nach derzeitigem Stand eine Dreierkoalition aus SPÖ, ÖVP und Neos oder Grünen aus – und die ÖVP-Anhänger halten eine Zusammenarbeit ihrer Partei mit der SPÖ auch für gut denkbar, besser als eine mit der FPÖ. Und die ÖVP-Wähler halten auch mit deutlicher Mehrheit eine Zusammenarbeit mit den Neos für denkbar. Es ginge wahrscheinlich auch mit den Grünen als Drittem im Bunde." Allerdings sei eine Zusammenarbeit der ÖVP mit den Grünen nach vier Jahren dieser Koalition längst nicht mehr so populär, wie sie es zu Beginn war.

Keine Partei gewünscht

In einer anderen Fragestellung ließ DER STANDARD erheben, ob die drei großen Parteien überhaupt in einer Regierung gewünscht werden. Für die Kanzlerpartei ÖVP gibt es eine Abfuhr: 41 Prozent sagen, dass die ÖVP in Opposition gehen soll, nur 36 Prozent sind überhaupt dafür, dass die ÖVP weiter in der Regierung bleibt.

Noch deutlicher ist die Ablehnung einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen: 50 Prozent wollen die FPÖ weiter in der Opposition sehen, darunter auch jeder elfte FPÖ-Wähler und die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler der anderen Parteien. Nur 32 Prozent wollen die FPÖ in der Regierung. Allerdings sieht es für die SPÖ kaum besser aus: Den Sozialdemokraten wünschen 36 Prozent eine Regierungsbeteiligung (neben eigenen Anhängern auch viele Grüne und Neos), 40 Prozent sind dagegen. (Conrad Seidl, 11.12.2023)