Paparazzi Westlicht
Es handelt sich bei der Aufnahme von Lauren Hutton 1979 nicht um einen Einzelfall: Provokante Sprüche und rücksichtslose Annäherungen sind seit jeher Methoden der Paparazzi, um an ihr Motiv zu kommen.
© Ron Galella Ltd.

Ab 1972 durfte sich Ron Galella Jackie Kennedy Onassis nur mehr auf 25 Fuß nähern, 1982 musste er dann schwören, die ehemalige US-Präsidenten-Gattin nie wieder zu fotografieren – zuvor jedoch hatte er eines der berühmtesten Bilder geschaffen, die je von der Stilikone aufgenommen wurden.

Windblown Jackie von 1971 ist Teil der aktuellen Ausstellung im Fotomuseum Westlicht und bezeichnend dafür, was die Boulevardkultur im späteren 20. Jahrhundert ausgemacht hat. Paparazzi! widmet sich dem ambivalenten Verhältnis, das lange zwischen den Personen hinter und vor der Kamera geherrscht hat: Man kannte sich, und ja, man brauchte sich.

So war das auch in den 1950er-Jahren auf der Via Veneto, wo Hollywoodgrößen das Sehen-und-Gesehen-Werden pflegten. Junge Römer begannen damals, Filmstars wie Audrey Hepburn oder Anita Ekberg abzulichten, verfolgten sie auf ihren Vespas und versuchten sie mit wilden Sprüchen aus der Reserve zu locken. Federico Fellini setzte den Männern mit den Fotoapparaten in La Dolce Vita ein Denkmal – darunter war einer mit einem folgenschweren Namen: Paparazzo.

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Künstlerische Qualitäten

Beraten ließ sich die Regie-Ikone übrigens von realen Akteuren des damals noch namenlosen Paparazzi-Business. Einer von ihnen war Tazio Secchiaroli: Dieser lichtete das Motiv ab, welches zur "Urszene der Paparazzi-Fotografie" werden sollte, so Westlicht-Kurator Fabian Knierim: ein Striptease der Tänzerin Aïché Nana, bei dem es dem Fotografen als einzigem gelang, die Aufnahmen durch eine Polizeirazzia zu schmuggeln und später zu veröffentlichen. Secchiarolis Bilder waren qualitativ so hochwertig, dass man kaum glaubt, dass sie von derselben Berufsgruppe stammen, die später sensationsheischende grobkörnige Aufnahmen von Lady Diana und Britney Spears anfertigte – mit letzteren Bildern soll der Spannungsbogen der Ausstellung wieder enden.

Nicht nur vor der Justiz lebten Paparazzi in ihren Glanzzeiten in den Sechzigern und Siebzigern gefährlich: Der La Dolce Vita-Star Anita Ekberg spannte Pfeil und Bogen 1960 zum "Gegenschuss" und zielte direkt auf die Fotokameras (Entwarnung: Es handelte sich dabei um Requisiten eines Filmprojekts!), Marlon Brando schlug Ron Galella 1973 mehrere Zähne aus. Dieser näherte sich dem Schauspieler ab dann zwar nur noch mit einem Footballhelm, ließ das Fotografieren dennoch nicht sein.

Paparazzi Westlicht
Marlon Brando und sein ewiger Schatten, der Fotograf Ron Galella 1974. Da Brando schonmal die Faust ausrutschte, trug Galella einen Schutzhelm.
© and Courtesy Ron Galella Ltd. / photo by Paul Schmulbach

Die Aufnahmen in der Schau wirken zunächst nicht wie die verwackelten Bilder aus der Klatschpresse, wie wir sie heute kennen, sondern sind ernst zu nehmende Beiträge zur Fotografiegeschichte. Es verwundert also nicht, dass bedeutende Fotokünstler wie Galella, Secchiaroli und Co als Inspiration dienten: für den Modefotografen Helmut Newton etwa, der Fotografen um seine Models platzierte und so Paparazzi-Szenen inszenierte. Oder die Fotokünstlerin Alison Jackson, die sich berühmte Persönlichkeiten in gewöhnlichen Situationen vorstellte – die Queen am Bankautomat oder Lady Diana mit ausgestrecktem Mittelfinger.

Ende mit Zusammenbruch

Die sehenswerte Ausstellung erzählt anhand der Fotografien die Geschichte eines bekannten Handwerks, das sich über rund fünfzig Jahre drastisch verändert hat. Sie schließt mit einschneidenden Vorfällen, die letztlich für die Entwicklung des Metiers bestimmend sein sollten: Eines der letzten Fotos von Diana kurz vor ihrem Tod 1997 sorgte zwar für Diskussionen, bewirkte letztendlich aber kaum Veränderungen der aggressiven Methoden während der Neunziger und Nullerjahre. Ein allmählicher Umbruch sollte erst stattfinden, nachdem Britney Spears berüchtigter Zusammenbruch zehn Jahre später für Blitzlichtgewitter gesorgt hatte.

Die Glanzzeit der Boulevardfotografen war da längst vorüber. Fotografien von künstlerischem Wert, die wie Galellas Windblown Jackie die Seele der Stars einzufangen schienen, sind der Analogfotografie des späten 20. Jahrhunderts vorbehalten. Mit bildstarken, aber auch schlichtweg schönen Aufnahmen wie diesen punktet die Ausstellung Paparazzi! (Caroline Schluge, 11.12.2023)