Jürgen Zippel ist einer der, "der sein Brot versteht". Das ist zumindest der Titel eines ausführlichen Porträts des Bäckermeisters auf der Webseite des antroposophischen Konzerns Demeter. Zippel ist der "Hofbäcker" Demeters, erfahren wir, aber nicht der Hofnarr. Wenn Zippel den Teig knetet in seiner Backstube, dann sorgt er dafür, dass die zähe Masse achtsam begleitet wird, ehe sie den schweren Gang in den Backofen anzutreten hat. Zippel hat keine Hand frei beim Kneten, daher ist eine Forscherin an seiner Seite, die mit dem Teig kommuniziert. Während Zippel den Teig mit seinen kräftigen Händen bearbeitet, beschwört Tanja Baumgartner mit ausladenden Handbewegungen den Teig und konzentriert sich dabei sehr.

Laib Brot
Der Geschmack von Brot wird von vielen Faktoren beeinflusst – doch es gibt wohl Grenzen.
IMAGO/MiS

Gesten und Materie, das ist eine Sache der Wissenschaft

Die eurythmische Beeinflussung von Brot ist keine reine Gaudi. Tanja Baumgartner nähert sich der Frage, wie organische Materie durch Gesten beeinflusst werden kann, von der wissenschaftlichen Seite. Auf Baumgartners Webseite lesen wir: "Seit dem Jahr 2000 arbeite ich an der Erforschung der Wirkung eurythmischer Behandlungen auf das Pflanzenwachstum sowie auf verschiedene Substanzen."

Das Forschungsprojekt "Eurythmie in der Backstube" wurde ermöglicht durch das Schweizer Institut Artenova. In einem Projektbericht lesen wir: "Auf der Suche nach dem jeweils passenden Ansatz tastet sich die Eurythmistin in ihren Werkzeugkoffer der Lautgestaltung hinein." Baumgartner fügt hinzu: "Und dann fängt man eben an zu experimentieren, wie auch sonst in der Wissenschaft."

Die Wirkung von Lauten und Gesten wird erforscht

Der anthroposophische Thinktank betreibt auch Grundlagenforschung, mit der man der Natur und dem, was die Welt zusammenhält, auf den Zahn fühlt: "In den ersten Jahren standen grundlegende Fragestellungen nach der Behandlungsdauer, der Wirkung einzelner Laute oder der Distanz zwischen der behandelnden Person und der Pflanze im Mittelpunkt." Leider erfahren wir in den Forschungsunterlagen unseres Backstubentanzes nichts darüber, ob eine Kontrollgruppe des Teiges auch besungen wurde.

Die bisherigen Ergebnisse in der angewandten Forschung machen jedenfalls Mut. Im Jahr 2017 wurde folgende Studie fertiggestellt: "Wirkung einer 40-tägigen Behandlung mit den Eurythmiegesten L und W auf die Qualität von Wasser." Wir lesen in der Summary, was die Familie Grander vermutlich nachdenklich macht: "Die Ergebnisse zeigen, dass Wasser die eurythmischen Wirkungen aufnimmt." Im Jahr 2013 wurden Apfelbäume vor der Ernte erfolgreich mit wirkvollen Gesten beschworen. Sie schmeckten besser als ihre traurigen Artgenossen vom Baum nebenan, derer sich niemand annahm.

Das "behampelte" Brot schmeckt besser

Zurück zur Teigstudie: Der Forschungsansatz scheint Erfolg zu haben, die Gesten dürften klug gewählt worden sein. Das vermeldet zumindest der Zwischenbericht, den Bäckermeister Zippel zitiert: "Stellen Sie sich vor, man hat Brote vom gleichen Teig: Über dem einen hat man immer wieder mal – salopp gesagt – herumgehampelt. Über dem anderen nicht – und dann schmecken die verschieden. (…) Das war eine beeindruckende Erfahrung!" Edmund Sackbauer hätte wohl gesagt: "Mei Brot is net deppert!"

Leuchtende-Augen-Faktor: ★★★★★

Schwiegermutter-Geschenk-Tauglichkeits-Faktor: ★★★★★

Schwurbelfaktor: ★★★★★

(Christian Kreil, 17.12.2023)