Young Thug
Young Thug alias Jeffery Williams, hier vor Gericht 2022, soll unter anderem zu einem Mordanschlag aufgerufen haben.
AP/Arvin Temkar

Werden nun im aktuellen Fall des in den USA laufenden Prozesses gegen Rapper Young Thug im Gangster-Hip-Hop tatsächliche Gewalttaten geschildert oder gefördert – oder eben nicht? Angesichts des meist wegen seiner Kaufkraft männlichen weißen Mittelschichtpublikums kann dies mit einem entschiedenen Ja, Nein, Vielleicht beantwortet werden. Die in den Texten vermittelte Authentizität braucht für den kommerziellen Erfolg unbedingt "street credibility". Die Hörerschaft muss an das glauben, was hier vermittelt wird.

Meist beschränkt sich die damit beförderte Lust auf Verbrechen zumindest hierzulande auf das Abbrechen von Mercedes-Sternen oder illegale Drogen. Ein wenig Rowdytum in den städtischen Parks muss natürlich auch dazugehören. Beim mitvermittelten, sattsam bekannten Frauenbild der hiesigen kleinen Gangster kann man nur darauf hoffen, dass sich das mit dem Alter auswächst.

Gewalt generiert Geld

Der als zehntes von elf Geschwistern aus einer harten Gegend in Atlanta kommende 32-jährige Rapper Jeffrey Williams alias Young Thug schaffte es nun allerdings nach längerer Untersuchungshaft tatsächlich, auch wegen der Texte seiner Musik vor Gericht zu stehen. Vorgeworfen werden ihm als Kopf der Rap-Crew YSL (Young Stoner Life), die eine Untergruppe der hauptsächlich afroamerikanischen Gang National Bloods sein soll, diverse Straftaten wie Mord, versuchter Mord, bewaffneter Raub, die Bedrohung von Zeugen, Erpressung oder Drogenhandel.

Als Beweise zieht die Staatsanwaltschaft neben diversen bereits geständigen Zeugen auch die Texte diverser Stücke Young Thugs hinzu. Sie behauptet, dass sich der "junge Verbrecher", so die Übersetzung des Künstlernamens, in diversen Liedern auch auf tatsächliche Delikte beziehe beziehungsweise sich damit brüste, seine Gang zu diversen Straftaten aufgerufen zu haben. Es geht vor allem um ein Drive-by-Shooting von 2015, bei dem Donovan Thomas, das Mitglied einer verfeindeten Gang, auf offener Straße erschossen wurde.

Der Prozess ist deshalb spannend, weil es speziell um die Frage von künstlerischer Freiheit geht und inwieweit das Schaffen Young Thugs beziehungsweise von Hip-Hop im Allgemeinen tatsächlich mit der Realität zu tun hat und nicht nur eine Verkaufsstrategie darstellt. Kommerziell gesehen hat der Prozess Young Thug bisher jedenfalls nicht geschadet. (Christian Schachinger, 11.12.2023)