Christian Thielemann dankte im Musikverein für Jubel.
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Wien – Noch zwanzigmal schlafen, dann ist das Krisenjahr 2023 Geschichte, und Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker werden dem globalen TV-Publikum eine traditionelle Mischung aus Wohlfühlwalzern und anderen Stimmungsaufhellern kredenzen und bei der Gelegenheit auch gleich das Jubeljahr für Anton Bruckner einläuten – einen Komponisten, auf den Dirigent und Orchester bestens eingestellt sind, haben sie doch zuletzt gemeinsam sämtliche Symphonien des Romantikers eingespielt.

Wie gut sich dieses Team auch auf Johannes Brahms versteht, belegte es am Samstag im Wiener Musikverein. Hatten sich Thielemann und die Philharmoniker im Gefolge ihres abgeschlossenen Aufnahmeprojekts nach einem bewussten Kontrastprogramm gesehnt? Jedenfalls schöpfte man im Musikverein aus dem Vollen, stemmte nicht nur Brahms’ dritte Symphonie, sondern mit dem zweitem Klavierkonzert op. 83 gleich noch ein Wuchtwerk des Bruckner-Antipoden.

Entspannter Levit

Pianist Igor Levit nahm den Soloparts scheinbar die Schwere, überraschte mit entspannten Einsätzen, ließ sein Spiel oft erst mitten in vollgriffigen Notengestöbern an Dringlichkeit und Druck gewinnen. Schwer zu sagen, was sein wundersames Brahms-Feeling ausmacht; es bezauberte in Momenten schwebender Tempi ebenso wie inmitten feiner Klangnebel, die aus rasanten Flüstertönen entstanden. Ein Gipfel der Delikatesse auch der dritte Satz – nicht nur wegen Levit, sondern auch dank der anrührenden Cello-Soli, die sich wie eine Hommage an die jüngst verstorbene Philharmoniker-Legende Franz Bartolomey ausnahmen.

Bewundernswert die Ensembleleistung: Es vermittelte sich die intellektuelle Architektur dieser Musik ebenso wie ihre dunkel glosende Intensität. Letztere brach sich vor allem in den Rahmensätzen der dritten Symphonie Bahn, mündete in schwelgerischen Lautstärkegipfeln, ohne die tänzerische Elastizität der Wiedergabe zu beeinträchtigen: Begeisterung. (Christoph Irrgeher,11.12.2023)