Klimaaktivistin Anja Windl wird von Polizisten weggetragen.
Klimaaktivistin Anja Windl war im November festgenommen worden. Eine Weisung in der Causa sorgt nun für politische Scharmützel.
APA/georg hochmuth

"Höchst irritiert" zeigte sich am Dienstag die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) von der Weisung des Justizministeriums bei der Enthaftung der Klimaaktivistin Anja Windl. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) sende damit das Signal aus, dass für Klimaaktivisten auf Österreichs Straßen "Narrenfreiheit" herrsche.

Auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ortet in einer aktuellen Aussendung eine "mutmaßlich ideologisch motivierte Intervention durch Weisung von Alma Zadić". Es brauche nun "dringend Aufklärung". Die Justizministerin betone zwar immer wieder, dass die Justiz unabhängig ermitteln soll, messe in Wirklichkeit aber mit "zweierlei Maß", meint Stocker.

Die ÖVP – zuletzt selbst mit Vorwürfen politischer Einflussnahme auf Strafverfahren konfrontiert – insinuiert also, dass Zadić die Entscheidung im aktuellen Fall persönlich getroffen habe. Aber stimmt das auch?

Weisung an Staatsanwaltschaft

Zur Erinnerung: Klimaaktivistin Windl hatte sich am 20. und 21. November mit einer Mischung aus Quarzsand und Superkleber auf der Fahrbahn einer Autobahn festbetoniert. Daraufhin war sie festgenommen und in die Justizanstalt Josefstadt überstellt worden. Begründet hatte die Staatsanwaltschaft das damit, dass "Teile der kritischen Infrastruktur bei den Aktionen beschädigt" worden seien und "Tatbegehungsgefahr" bestanden habe.

Das Landesgericht Wien sah das anders und lehnte die Verhängung der Untersuchungshaft ab. Haft sei nur in Ausnahmen erlaubt, und aus Sicht des zuständigen Richters reichten im aktuellen Fall gelindere Mittel aus. So muss Windl nun etwa regelmäßig für die Behörden erreichbar sein. Auf Weisung des Justizministeriums akzeptierte auch die Staatsanwaltschaft Wien diese Entscheidung und verzichtete auf eine Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss.

Entscheidung der Fachabteilung

Möglich ist das, weil die Justizministerin formal nach wie vor an der Spitze der Staatsanwaltschaften steht und Weisungen erteilen darf. In der Praxis werden diese Entscheidungen jedoch von der Fachabteilung im Ministerium getroffen; in politisch heiklen Causen und clamorosen Fällen zusätzlich vom Weisungsrat. Im aktuellen Fall lag die Entscheidung laut Justizministerium in der Fachabteilung, die die Weisung aus rein rechtlichen Gründen erteilt habe. Das Kabinett der Ministerin sei zwar "informiert" gewesen, aber nicht involviert, heißt es auf Anfrage des STANDARD.

Die Ministerin hätte freilich die Möglichkeit gehabt, die Entscheidung der Fachabteilung abzuändern. Für eine grüne Politikerin eine schwierige Situation: Lässt sie die Weisung der Fachabteilung zu, setzt sie sich möglicher politischer Kritik aus, wie nun passiert. Ändert sie die Weisung der Fachabteilung ab, um dieser Kritik nicht ausgesetzt zu sein, könnte man ihr erst recht eine Intervention vorwerfen. Nicht umsonst fordern Fachleute seit Jahren, dass die Weisungsspitze bei strafrechtlichen Ermittlungen nicht mehr im Ministerium liegen soll – schon allein um den Anschein politischer Interventionen zu verhindern.

Eine diesbezügliche Reform, auf die sich ÖVP und Grüne eigentlich bereits geeinigt hatten, stockt mittlerweile seit mehr als einem Jahr. Grund ist, dass Uneinigkeit über die konkrete Ausgestaltung der Weisungsspitze herrscht. Während sich Zadić ein Gremium an der Spitze wünscht, das von einer Personalkommission ausgewählt wird, plädiert Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) für eine Einzelperson, die vom Parlament bestellt wird.

Fehlende Weisungsberichte

Kritik in Sachen Weisungen gibt es an Zadić übrigens aus einem anderen Grund. Das Justizministerium muss dem Parlament jährlich über die erteilten Weisungen in abgeschlossenen Ermittlungsverfahren berichten. Der letzte verfügbare Bericht datiert allerdings aus dem Jahr 2021 und betrifft das Jahr 2020. Die Berichte für die Jahre 2021 und 2022 sind also seit Monaten überfällig. Aus dem Justizministerium hieß es dazu zuletzt, dass sie "demnächst" veröffentlicht werden sollen. (Jakob Pflügl, 12.12.2023)