Den "Eintritt in eine andere Welt". Das verspricht ein neues Restaurant in bester Lage an der Wiener Ringstraße. Das Eventlokal beim Schottentor heißt Ziizuu, und seine Website kündigt den Gästen eine Welt an, "in der jeder Bissen eine eigene Geschichte erzählt".

Früher bot an dieser Stelle das Yamm! vegetarische Küche an, musste jedoch in der Corona-Krise schließen. Nun solle mit dem Ziizuu eine "gehobene Zielgruppe" angesprochen werden, kündigt der bekannte Gastronom Joachim Natschläger im Branchenmagazin "Falstaff" an: eine Kombination aus Essen, Live Musik und Clubbing. Natschläger wird als Leiter des Projekts vorgestellt, was nicht falsch ist. Aber auch nicht die ganze Wahrheit.

Wie Recherchen des STANDARD ergeben, stehen hinter dem Ziizuu Ukrainer aus dem Umfeld eines Kiewer Geschäftsmanns namens Dmytro Fedotenkow. In seiner Heimat wird er von der Justiz gesucht. In Wien konnte er zugleich in den vergangenen eineinhalb Jahren eine ganze Reihe von Gastrobetrieben kaufen und aufwendig umbauen.

Kaufen und umbauen

Zu Fedotenkows Übernahmen in Wien (siehe Grafik) gehören die Pizzeria Buffalino sowie das Restaurant Rubi in Währing, das griechische Lokal Iris auf dem Naschmarkt, das Café La Jolie beim Judenplatz, das Freiraum und das Funky Izakaya auf der Mariahilfer Straße, zumindest ein Essensstand im Gleisgarten in Meidling und seit neuestem neben dem Ziizuu auch das ehemalige Marina Restaurant am Handelskai, das nun Maya Garden heißt. Ein Kenner der Szene schätzt, dass in die Umbauten und Neueröffnungen aller Lokale in den vergangenen eineinhalb Jahren mindestens zehn Millionen Euro investiert wurden.

"Jeder Bissen erzählt eine eigene Geschichte": das Ziizuu beim Schottentor.
Bernhard Odehnal

Der 43-jährige Fedotenkow führte in der Ukraine eine Restaurantkette namens Tarantino Family, zu der einige der beliebtesten Esslokale der Stadt gehörten mit Namen wie eben das Buffalino oder Murakami. In Wien scheint er die Anonymität zu bevorzugen. Fedotenkow, der vermutlich mit seiner Familie zu Kriegsbeginn im Februar 2022 nach Wien gekommen war, gründete gemeinsam mit seiner Ehefrau zwar mehrere Gastrofirmen, übergab aber seine Anteile und Geschäftsführungen aller Unternehmen nach einigen Monaten an seinen in Österreich lebenden ukrainischen Geschäftspartner namens Michael J.

Zu Kriegsbeginn nach Wien

Der mutmaßliche Grund für diese Diskretion: Die Staatsanwaltschaft in Kiew hat gleich zwei Strafverfahren gegen Fedotenkow eingeleitet. In einem Verfahren geht es um den Vorwurf, der Unternehmer habe die große ukrainische Baufirma Ukrbud als kurzzeitiger Mitbesitzer finanziell ausgehöhlt und in den Bankrott getrieben. Der zweite Vorwurf wiegt in Zeiten des russischen Angriffs auf die Ukraine noch schwerer: Fedotenkow soll den Aggressor Russland unterstützt haben.

Fedotenkovs Gastro-Imperium, in kurzer Zeit zusammengekauft
Fedotenkows Gastroimperium, in kurzer Zeit zusammengekauft.
DER STANDARD

Im Mai 2022 durchsuchte die Kiewer Polizei zum ersten Mal die Büros von Fedotenkows Kette Tarantino Family und fand laut der damaligen Pressemitteilung unter anderem größere Beträge an Bargeld in Bündeln. Wenige Monate soll die Restaurantkette laut eigenen Angaben an einen deutschen Bierbrauer namens Florian Bollen verkauft worden sein. Auch Bollen taucht in Wien wieder auf, als Projektleiter des Gleisgartens, einer zur Foodhall umgebauten alten Remise der Badner Bahn (der STANDARD berichtete).

Hausdurchsuchungen

In der Ukraine sind die Ermittlungen gegen Fedotenkow inzwischen offenbar verstärkt worden. Am 13. Oktober 2023 fand abermals eine Hausdurchsuchung in Kiew statt, dieses Mal in den Büros der FM-Gruppe, hinter der ebenfalls Fedotenkow und sein Geschäftspartner Sergej M. stehen. Bei dieser Durchsuchung wurden unter anderem Festplatten und SIM-Karten von Mobiltelefonen konfisziert. Die Firma erhob gegen die Beschlagnahmung Einspruch. Doch der wurde im November 2023 vom Berufungsgericht abgelehnt. Die Ablehnung durch das Gericht ist im Internet abrufbar, unter anderem im ukrainischen Handelsregister. Das Urteil ist anonymisiert, als Geschäftsführer der FM-Gruppe ist Fedotenkow in dem Dokument jedoch klar identifizierbar.

Laut diesem am 15. November 2023 veröffentlichten Urteil des Berufungsgerichts wird gegen den in Wien lebenden Fedotenkow nach Paragraf 110 des ukrainischen Strafgesetzes ermittelt. Es geht um "vorsätzliche Handlungen, die darauf abzielen, die territorialen oder nationalen Grenzen der Ukraine zu verändern, unter Verstoß gegen die Verfassung der Ukraine". Strafrahmen: drei bis fünf Jahre Gefängnis.

"Enger Kontakt" mit Russland

Fedotenkow und sein Partner M. hätten durch illegale Geschäfte rund um ihre Restaurants in der Ukraine Geldmittel besorgt, die sie zur gewaltsamen Veränderung des Staatssystems und der Staatsgrenzen einsetzen wollten, heißt es in dem Gerichtsdokument: Es gebe gute Gründe zu der Annahme, dass die Verdächtigen in engem Kontakt mit der russischen politischen Elite stünden.

Die mutmaßlichen Verbindungen des heute in Wien lebenden Ukrainers nach Moskau werden detailliert beschrieben: Es geht um eine russische Restaurantkette mit auffallend ähnlichem Namen wie die ukrainische Tarantino Family: Genau genommen sind es zwei Ketten, die die Namen "Tar" und "Ant.Ino" tragen. Beide Ketten sollen derselben zyprischen Offshorefirma gehören. Von der russischen Restaurantkette sehen die ukrainischen Ermittler zudem eine Verbindung zur Moskauer Kredit-Bank MKB. Die MKB steht weltweit unter Sanktionen, weil sie Putins Krieg mitfinanziert. Weiters sei bei der Razzia im Oktober im Kiewer Hauptquartier der FM-Gruppe eine russische SIM-Karte gefunden worden, heißt es in dem Gerichtsdokument. Dmytro Fedotenkow war für den STANDARD nicht erreichbar. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Ukrainische Kennzeichen

In Wien wurde das neue Ziizuu Anfang Dezember eher diskret, hinter verschlossenen Vorhängen, eröffnet: Zutritt nur für geladene Gäste. Auch das Maya Garden an der Donau öffnet nach einem aufwendigen Umbau in diesen Tagen seine Tore. Wie stark die Ukrainer bei den neuen Lokalen involviert sind, zeigten Lokalaugenscheine während der Umbauphase. Ukrainische Kastenwagen brachten Einrichtungsgegenstände, vor den Häusern standen SUVs mit ukrainischen Kennzeichen. Auf der Donauterrasse des Maya Garden steht sogar ein Motorboot aus der Ukraine. Sowohl auf den Baustellen des Ziizuu als auch des Maya Garden waren hauptsächlich ukrainische Arbeiter beschäftigt, ihr Vorarbeiter war zuvor in Fedotenkows Lokalen in Wien-Währing tätig.

Im Foodcourt
Im Foodcourt Gleisgarten in Wien-Meidling haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des STANDARD wegen kritischer Berichterstattung Hausverbot.
Heribert Corn, DER STANDARD

Der Name Fedotenkow ist mittlerweile bei allen Wiener Firmen aus dem Handelsregister verschwunden. Als Eigentümer und Geschäftsführer steht dort jetzt stets Fedotenkows Partner Michael J. Dieser Partner, über den wenig bekannt ist, hat eine Firma, die Damenunterwäsche erzeugt und die auch eine Filiale im Wiener Donauzentrum betreibt. Etwaige Erfahrungen in der Gastronomie sind aus J.s Biografie nicht ersichtlich. 2022 war J. noch gemeinsam mit Fedotenkow oder dessen Frau in mehreren Firmen eingetragen. Führt J. heute die Gastrogeschäfte in Wien also nur treuhändisch für Fedotenkow? Er gibt auf diese Frage keine Antwort. Wenn man das Personal in den Restaurants nach dem Chef fragt, kennen alle den Namen Dima (die Kurzform von Dmytro). Mit dem Namen Michael J. kann niemand etwas anfangen.

Private Wohnungen

Ebenfalls beteiligt an den Gastroprojekten Ziizuu und Maya Garden ist eine Firma des Wiener Immobilieninvestors Markus Teufel. Der hatte große Pläne für die Entwicklung des Donauufers, das Projekt Fernbus-Terminal, das er gemeinsam mit dem Immobilienunternehmer Ariel Muzicant realisieren wollte, scheiterte aber an der Finanzierung. Auf die Fragen des STANDARD hinsichtlich seiner ukrainischen Partner bei den Gastrobetrieben reagiert Teufel nicht.

Zwischen den von Fedotenkow gegründeten Gastrobetrieben gibt es offenbar nicht nur beim Personal einen regen Austausch. So betreibt zum Beispiel eine Firma namens Geho30 (die Abkürzung bezieht sich auf die Adresse des Restaurant "Rubi", Gersthofer Straße 30) heute das Freiraum und das Funky Izakaya auf der Mariahilfer Straße sowie das Café La Jolie beim Judenplatz. Die Firma bestellte aber auch Möbel für das Ziizuu, wie auf den Lieferzettel ersichtlich war. Die eigentliche Betreiberfirma des Ziizuu ist hingegen in einer Privatwohnung im dritten Bezirk gemeldet.

Sogar das Boot kommt aus der Ukraine: vor dem
Sogar das Boot kommt aus der Ukraine: vor dem Maya Garden am Donauufer.
Bernhard Odehnal

Ebenfalls in einer privaten Wohnung ist die DiMaggio GmbH im November 2022, gegründet im November 2022 mit Fedotenkows Frau als Geschäftsführerin, registriert. An der offizielle Firmenadresse in der Gumpendorfer Straße befindet sich ein Gründerzeithaus, in dem laut Auskunft eines Bezirkspolitikers "seit Jahren niemand mehr wohnt". Tatsächlich sind die oberen Stockwerke eine einzige Baustelle, jedoch ohne ersichtliche Bautätigkeiten. Die Briefkästen wurden offenbar seit langem nicht mehr geleert, und die Wohnung, in der sich angeblich der Firmensitz befindet, wirkt verlassen.

Hausverbot für den STANDARD

Finanziell ist die Firma hingegen gut aufgestellt – so wie die meisten anderen Unternehmen aus dem Umfeld Dmytro Fedotenkows. Schon kurz nach ihrer Gründung erhielt die DiMaggio GmbH laut der Bilanz von 2022 einen Kredit über 700.000 Euro. Von wem, ist unklar. Beteiligt ist die Firma an einer der Betreiberfirmen von Wiens erstem Foodcourt – dem Gleisgarten in Meidling. Und die Firma in ukrainischen Händen wird auch beim nächsten großen Gastroprojekt in Wien mitmischen – der Gastronomie in der ehemaligen Sargfabrik in Wien-Liesing. Der Umbau des alten Backsteinbaus durch die Soravia-Gruppe ist derzeit voll im Gange. Die Fertigstellung des Grätzelzentrums Fabrik1230 ist für Herbst 2024 geplant.

Dass DER STANDARD bereits im Oktober erstmals über die Verbindungen des in der Ukraine gesuchten Dmytro Fedotenkow zum Meidlinger Foodcourt Gleisgarten berichtete, hat übrigens eine kuriose Folge. Denn die Wiener Betreiberfirma reagierte schnell: Sie schaltete ein Anwaltsbüro ein und erteilte sämtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des STANDARD Hausverbot im Gleisgarten. (Bernhard Odehnal, 14.12.2023)