Fast alles, was aus dem Gazastreifen nach außen dringt, klingt entsetzlich: andauernde Kämpfe im Norden; Anweisungen zur Evakuierung, die sich immer wieder ändern; zunehmend auch gesundheitsgefährdende Bedingungen in den Flüchtlingslagern, die wetterbedingt nun auch noch im Schlamm und teils im Wasser stehen. Darüber hinaus fehlt es an Hilfen, da streng kontrolliert wird, was über die Grenzen in den Gazastreifen gelangen darf. Auch das wenige, das eintrifft, kann nur schwer verteilt werden – denn auch der Treibstoff, etwa für Lkws, ist knapp. Dass 153 Staaten sich in der Uno-Generalversammlung nun für einen Waffenstillstand aussprechen, ist aus humanitärer Sicht also mehr als naheliegend. Israel widerspricht dieser Darstellung. Die Regierung argumentiert, dass es sich am 7. Oktober um pogromartigen Terror gehandelt habe, der sich niemals in Israel wiederholen dürfe. Ein Waffenstillstand spiele der Hamas in die Karten.

Gilad Erdan hält ein Schild in die Höhe. Aufschrift:
Wer einen Waffenstillstand wolle, könnte sich bei Hamas-Chef Yahya Sinwar statt bei seinem Land melden, ließ Israels Uno-Botschafter Gilad Erdan per Schild wissen.
IMAGO/Bianca Otero

Österreich jedenfalls zählt nicht zu den 153 Staaten, die Dienstagabend im New Yorker UN-Hauptquartier für ein Schweigen der Waffen votiert haben. Gemeinsam mit Israel, den USA, dem EU-Land Tschechien und sechs anderen Ländern ließ Wien eine Nein-Stimme abgeben. Dabei geht es, argumentiert Außenminister Alexander Schallenberg, ums Prinzip. Oder, wie er es ausdrückt, "um das Wording". Österreich nämlich wäre "nicht gegen Feuerpausen", heißt es in einer Aussendung des Ministeriums, wolle aber, dass die Hamas in den Beschlüssen der Vereinten Nationen verurteilt werde. Dazu hatte das Außenamt auch einen Vorschlag für eine Abänderung des Resolutionstextes eingebracht. Dieser ist recht knapp und beinhaltet eigentlich nur ein paar Worte. Bei einer Passage, in der ohnehin schon die Befreiung der Geiseln gefordert wurde, wollte Wien noch die Hamas als Täter aufgeführt wissen. Und ein ebenfalls bereits geforderter Zugang für Hilfsorganisationen zu den Geiseln in Gaza sollte nun "unmittelbar" möglich sein.

Humanitäre Gründe sehen anders aus

Eine (knappe) Mehrheit der anwesenden UN-Staaten fand das auch akzeptabel. 89 stimmten mit Ja, 61 mit Nein, 20 enthielten sich der Abstimmung. Zur Annahme aber hätte es einer Zweidrittelmehrheit bedurft. Und man darf sich an dieser Stelle schon fragen: Was genau finden die 61 Staaten aus dem autoritären Lager (wie etwa China oder Russland), aus dem Globalen Süden und dem arabischen Raum an den österreichischen Vorschlägen so ablehnenswert, dass es sich lohnt, dafür einen globalen Konsens für einen Waffenstillstand zu gefährden? Es liegt nahe, dass es dabei nicht um humanitäre Gründe geht, sondern dass der geplante Charakter der UN-Resolution als Kritik an Israel dadurch zu stark verwässert worden wäre. "Humanitäre Gründe" sehen anders aus – und humanitäre Gründe gibt es im Übrigen auch dafür, sich zusätzlich zu den Menschen in Gaza auch für die entführten Geiseln und die Menschen in Israel einzusetzen, die ein Ende der noch immer anhaltenden Raketenangriffe fordern.

Das ist die eine Seite der Medaille. Es gibt auch auch eine andere, denn das Argument ist umgekehrt auch auf Österreich zu übertragen. Ist eine Resolution, der man sonst offenbar wenig entgegensetzen würde, deshalb strikt abzulehnen, weil das, was man gerne noch hinzugefügt hätte, fehlt? So verständlich die Verärgerung darüber ist, wenn eigene, berechtigte Vorschläge ignoriert werden – auch Wiens Haltung kann den Anschein eines Justament-Standpunktes nicht vermeiden. Dies, zumal viele andere EU-Staaten kein Problem hatten, beides unter einen Hut zu bringen: den Vorschlägen Österreichs zur Hamas-Verurteilung zuzustimmen und trotzdem eine Resolution zur Mäßigung der Gewalt nicht mit einem blanken Nein abzuschmettern. Schon bei einer ersten ähnlichen Abstimmung im Oktober hatte Kanada einen Abänderungsantrag zur Verurteilung der Hamas eingebracht, der abgelehnt wurde. Bei der eigentlichen Abstimmung, damals zu einer Waffenruhe, enthielt sich das Land dann. Das hätte Österreich diesmal auch tun können. (Manuel Escher, 13.12.2023)