Karl Nehammer mit EU-Ratspräsident Charles Michel.
Karl Nehammer mit EU-Ratspräsident Charles Michel.
AP

Auf der globalen Ebene fiel Österreich zuletzt durch ein starkes Eintreten für das Selbstverteidigungsrecht Israels und mit der Forderung nach einer klaren Benennung der Terrororganisation Hamas als Verursacher des Massakers an 1200 Israelis am 7. Oktober in der jüngsten UN-Resolution auf. Ein entsprechender Antrag in der Uno zu einer Resolution, die zum sofortigen Waffenstillstand in Gaza aufrief, wurde von der Generalversammlung diese Woche mangels Zweidrittelmehrheit jedoch verworfen. Nur Österreich, die USA und acht weitere Staaten stimmten letztlich mit Nein bei der von arabischen Staaten eingebrachten Resolution.

Beim EU-Gipfel, der Donnerstagfrüh in Brüssel begann, wollte Bundeskanzler Karl Nehammer sein Eintreten für Israel und die jüdische Bevölkerung in Europa "aus tiefer Überzeugung" fortsetzen, wie aus dem Kanzleramt bestätigt wurde. In einem Brief hat er sich vorab an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den Ständigen Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel, gewandt, was eher selten vorkommt. Darin erinnert er an die "Brutalität ohne Beispiel", die 1.200 Menschen das Leben gekostet hat, darunter vier Österreicher. Nach wie vor würden Geiseln festgehalten und in zynischer Weise als menschliche Schutzschilde missbraucht. Für diese Grausamkeiten und den Terror könne es keine Entschuldigung, keine Rationalisierung geben, schreibt der Kanzler.

Auf der Tagesordnung

Und dennoch spüre man, wie sich die barbarische Attacke der Hamas als Welle in unseren Gesellschaften ausbreite, erklärt Nehammer: "Ich bin schockiert und empört über das dramatische Anwachsen des Antisemitismus in Europa." Da dürfe es null Toleranz geben. Österreich wolle sich diesbezüglich in die erste Reihe stellen bei den Anstrengungen, jüdisches Leben in Europa zu schützen und zu unterstützen. Er bittet von der Leyen und Michel daher, dieses Thema auf die Tagesordnung zu nehmen, um Maßnahmen vorzuschlagen, die diesem gefährlichen Trend entgegenwirken. "Antisemitismus bedroht unsere offenen und pluralistischen Gesellschaften in ihren Grundfesten. Er ist toxisch für unsere Demokratie", heißt es in dem Schreiben.

Der Kanzler erinnert an die umfassende EU-Strategie von 2021 im Kampf gegen Antisemitismus. Der Europäische Rat möge diese jüngsten Herausforderungen für die jüdische Bevölkerung und Maßnahmen diskutieren, die die Sicherheit erhöhen und jüdisches Leben unterstützen, bis hin zu legislativen Maßnahmen gegen antisemitisches Handeln.

Stich in ein EU-Wespennest

Mit dieser Initiative stößt Österreich ein heikles Thema an. Denn zwischen den EU-Staaten sind die Positionen zum jüngsten Krieg in Nahost, zum Vorgehen der israelischen Armee in Gaza wie auch zu den Palästinensern und zur Hamas sehr zersplittert und umstritten. Es gibt Staaten, die klar für Israel eintreten, wie Österreich oder Deutschland, und andere, die Gegner Israels sind, und Dritte, die sich enthalten, schildert ein Diplomat die Lage. Besonders umstritten ist der Hohe Beauftragte für die EU-Außenpolitik, Josep Borrell. Der spanische Sozialist fiel in letzter Zeit öfter damit auf, dass er klar Position für die palästinensische Seite bezog und als exponierter Kritiker des israelischen Vorgehens auftrat, während er sich in Sachen Hamas auffallend zurückhielt.

Bei mehreren Staaten, unter anderem Deutschland, aber auch bei Kommissionspräsidentin von der Leyen stößt Borrell damit auf deutliche Kritik. öffentlich ausgetragen wird diese Auseinandersetzung jedoch nicht. Borrell wird vorgeworfen, dass er sich an gemeinsame Erklärungen der EU-Staaten nicht hält, sondern sein eigenes diplomatisches Spiel spielt. (Thomas Mayer aus Brüssel, 14.12.2023)