Den Zustand der Welt als apokalyptisch zu definieren wirkt von Tag zu Tag immer weniger übertrieben. Kriegsverbrecher und Erpresser beherrschen Staaten, und das auch in Europa; Verrückte wollen Präsidenten werden oder sind es schon, und das nicht gerade in Kleinstaaten; eine Mörderbande will einen Staat auslöschen und erfährt dafür auch noch weltweit Solidarität – und bei alledem ist noch gar nicht vom Klima die Rede, dem eine eben zu Ende gegangene Konferenz auch nicht auf die Sprünge helfen wird. Wen wundert es da, dass die Abkehr von dieser Welt wieder als wünschenswert empfunden wird, schon um die in ihr herrschenden Übel nicht ins eigene Land einzuschleppen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl
Setzt innerparteilich auf neue Kontrollen: FPÖ-Chef Herbert Kickl.
Florian Voggeneder

In diesem Sinne hat Herbert Kickl diese Woche, wie berichtet, angeordnet, die Abgeordneten und Funktionäre seiner Partei müssten ab sofort sämtliche Auslandsreisen einschließlich ihrer dortigen Kontakte und Reisezwecke vor einer parteiamtlichen Meldestelle namens Susanne Fürst offenlegen, also rechtfertigen. Eine zentrale Übersicht zur Abstimmung sei "angesichts der nahenden Nationalratswahl" erforderlich.

Diese touristische Entmündigung ist der edelste Ausdruck wahrhaft freiheitlichen Denkens, auch wenn erst auf den zweiten Blick ersichtlich wird, was das mit der nahenden Nationalratswahl zu tun haben soll. Zunächst soll offenbar dem Verdacht ein Riegel vorgeschoben werden, freiheitliche Funktionäre könnten sich vor der Machtergreifung des Volkskanzlers unter dem Vorwand nationaler Bildungsarbeit ins Ausland absetzen, noch ehe eine 1000-Euro-Sperre ihnen die Begeisterung daran verleidet.

Kickls Wahlkampfstrategie

Schon klarer wird der Zusammenhang mit dem nahenden Urnengang, wenn man berücksichtigt, dass die "Festung Österreich" ein zentraler Begriff in Kickls Wahlkampfstrategie sein wird. Um damit glaubwürdig auftreten zu können, reicht es nicht, ein Ende der Einreise von Migranten zu versprechen, was ohnehin niemand glaubt. Es gilt auch Ausreisen zu verhindern, die als Kritik am Volkskanzler verstanden werden könnten. Was nun an den Parteifunktionären erprobt wird, ließe sich doch – man wird sich noch wundern, was alles möglich ist – auf die Bevölkerung ausdehnen. Von einer Volksgemeinschaft wie damals wird man ja noch träumen dürfen.

Vertrauen in die eigenen Funktionäre war einmal, aber die Erfahrungen mit ihnen lässt Kickl auf die freiheitliche Linie Lenins einschwenken: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Da steckt auch Reaktion auf eigenes Versagen drin. Wer sonst als er hätte die für die FPÖ so fatale Auslandsreise nach Ibiza verhindern müssen? Andererseits, hätte sich Heinz-Christian Strache nicht so intensiv für den Reinheitsgrad ausländischer Zehennägel interessiert, wäre Kickl noch immer nur Generalsekretär. Es ist eben alles sehr kompliziert.

Aber dass ihm als größtem Parteiführer aller Zeiten dann Andreas Mölzer zu den Taliban entschlüpft, rüttelt kräftig an seinem Anspruch, Volkskanzler auch noch werden zu wollen. Mölzer für die "unglaubliche Dummheit" dieser Reise mit einem Parteiausschluss leer zu bedrohen, aber Axel Kassegger, der nur mitfahren wollte, als außenpolitischen Sprecher der Partei abzusetzen zeugt von einer Unentschlossenheit, die ahnen, mehr als das: befürchten lässt, er wird auch Journalisten niemals Benehmen beibringen. (Günter Traxler, 15.12.2023)