Mabel Normand war einer der ersten weiblichen Slapstickstars in Hollywood, ihr Leben aber endete tragisch. Filmarchiv Austria.
Mabel Normand war einer der ersten weiblichen Slapstickstars in Hollywood, ihr Leben aber endete tragisch.
Filmarchiv Austria

Im Stummfilm Die Ehe einer Nacht spielt die Innsbruckerin Carmen Cartellieri einen obsessiven Fan. Ihr Subjekt der Begierde ist der Schauspielstar Sigurd Hal, ein hübscher Mann mit gepuderter Visage und dunklem Kajal um die blauen Augen. Kein Wunder, dass sein Fan derart vernarrt in ihn ist. Sogar in ein kleines Alpendorf reist sie ihm hinterher, wo jener versucht, seine Schauspielkollegin Grita Gerson (die ungarische Filmsternschnuppe Ellen Kürti) als Bauer verkleidet zu bezirzen. Als sein Fan auftaucht, ist Sigurd wenig begeistert. Mit ihren Federboas und dem eleganten Tanzkleid droht sie ihn zu entlarven.

Doch Cartellieri, die zu den meistbeschäftigten Darstellerinnen des österreichischen Stummfilms zählte, macht vor nichts halt: Aus dem Kuhstall entflieht sie ebenso wie aus der Dachstube, um ihrem Schwarm nah zu sein, und sorgte so 1927 sicher für laute Lacher beim Kinopublikum.

Carmen Cartellieri macht in
Carmen Cartellieri macht in "Die Ehe einer Nacht" als obsessiver Fan vor nichts Halt, um an ihren Schwarm Sigurd Hal zu kommen.
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Selbstbestimmt mit Witz

Die Ehe einer Nacht ist in der Filmschau Leading Ladies of Silent Cinema: Laughing Out Loud! zu sehen, die von 15. Dezember bis 13. Jänner mit Live-Musik im Wiener Metro-Kinokulturhaus zu sehen ist.

Kuratorin Bianca Jasmina Rauch war es ein Anliegen, den Witz und das Engagement weiblicher Stars der Stummfilmära auf die Leinwand zu bringen, um zu zeigen: Von Beginn an waren viele Frauen im Kino Herrinnen ihrer selbst und ihrer eigenen Gags. Denn nicht nur Asta Nielsen, deren Engelein von 1914 der älteste Film der Schau ist, führte ab den 1910er-Jahren als Schauspielstar sowie als Produzentin und Autorin ihrer eigenen Filme das Zepter, auch Mabel Normand. Die US-Amerikanerin wurde 1911 als "Vitagraph Betty" der komische Star des gleichnamigen Filmstudios. Ihre größten Erfolge fuhr sie in dem 1912 von ihr mitbegründeten Studio Keystone ein, wo sie mit Charlie Chaplin und Fatty Arbuckle zur Slapstick-Queen wurde und bis 1914 bei etwa zehn Filmen selbst Regie führte.

Damit hat sich Normand allerdings nicht ins kulturelle Gedächtnis eingeschrieben. Vielmehr ist sie eine jener tragischen Figuren, die dem frühen Hollywood den Ruf des Sündenpfuhls eingebracht hat: Drogen, Exzesse und Mordprozesse inklusive. The Extra Girl läutete 1923 schon das Ende ihrer Karriere ein.

LOVE, LIFE AND LAUGHTER clip | BFI London Film Festival 2019
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Teenager, Nachtgestalten, Verwechslungsrollen

Normand war mit Mary Pickford befreundet, dem anderen großen Hollywoodstar der Ära. Pickford galt mit ihren blonden Locken als "Americas Sweetheart" und spielte oft freche Kinder, etwa 1925 in Little Annie Rooney. Ihr mädchenhafter Rollentypus inspirierte Darstellerinnen in Übersee: Ossi Oswalda in ihren Rollen als Berliner Backfisch oder Betty Balfour, die als britische Mary Pickford galt. In Love, Life and Laughter (1923) spielt sie wie Oswalda in Die Kleine vom Varieté (1926) ein Revuegirl.

Teenager, Nachtgestalten, Verwechslungsrollen: Die Figuren, die die lustigen Filmdivas oft mit exaltierter Komik mimten, entziehen sich gesellschaftlichen Vorstellungen vom Frausein. Sie sind grenzüberschreitend und damit, obwohl an die hundert Jahre alt, ungebrochen modern und inspirierend. (Valerie Dirk, 15.12.2023)