Munch
In Berlin hat Edvard Munch (Mattis Herman Nyquist) seine Naivität abgelegt: Er wird zum selbstzerstörerischen Melancholiker.
Einhorn Films

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass jede gequälte Künstlerseele zumindest einmal filmisch verwurstet werden muss. Besonders in diesem Jahr hat sich ein Trend abgezeichnet: Nach Caravaggio und Anselm Kiefer hat es jetzt Edvard Munch getroffen. Mit Munch liefert der norwegische Regisseur Henrik Martin Dahlsbakken ein ambitioniertes Porträt über seinen Landsmann, einen der berühmtesten Maler des 20. Jahrhunderts.

Dass in Munch der Name im Titel steht, ist hilfreich – es ließe sich in den knapp zwei Stunden Spielzeit des Films sonst schwer ausmachen, um wen es sich da auf der Leinwand handelt. Zwar werden die berühmtesten Werke des Malers ab und an gezeigt, dennoch bleibt es beim konventionell bedienten und viel bearbeiteten Topos: das männliche Künstlergenie als immerzu melancholischer Eigenbrötler.

Vier Zeitebenen

Dabei wollte man offensichtlich den gängigen Erzählmethoden entfliehen – das Leben des Künstlers wird in vier Zeitebenen aufgedröselt, die sich nicht chronologisch aneinanderreihen. Dabei ändern sich der Hauptdarsteller und die Inszenierung ständig.

Während sich der junge Alfred Ekker Strande in der Unentschlossenheit seiner Adoleszenz suhlt, umgibt ihn stets ein zarter, pastellfarbener Schleier. Das passt zum dolorösen Schlafzimmerblick, mit dem er sich durch die gutbürgerliche Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts quält.

KinoCheck Indie

Später wird dem Maler in Berlin eine geplante Ausstellung mit der Begründung verwehrt, seine Bilder seien "nicht fertig". Der ein wenig ältere Munch (Mattis Herman Nyquist) ist enttäuscht und will seinen Frust in einem Technoclub ersticken. Ja, richtig: Er befindet sich im Berlin der Gegenwart, mit Uber, Smartphones und dem Betonfeld des aufgelassenen Flughafens Tempelhof. Über das radelt er, während der Himmel mit farbprächtigen Wolkengebilden aus seinen Gemälden gefüllt ist.

Unsympathischer Grantler

Als Ola G. Furuseth als unsympathischer Grantler-Munch in eine Klinik eingeliefert wird, versucht ihm die Belegschaft einzureden, dass er ein Genie sei – obwohl der Rest der Geschichte das überhaupt nicht nahelegt. Gefilmt wird dabei in Schwarz-Weiß und im Quadrat. Am Ende seines Lebens wird der Künstler von einer Frau (Anne Krigsvoll) gespielt – warum, fragt man sich aber vergebens, denn die Cross-Gender-Besetzung ergibt in dem Kontext wenig Sinn.

Munch wirkt an vielen Stellen, als hätte man Ideen von anderen Künstlerbiografien abgekupfert: die wirre Seele, die Willem Dafoe 2018 in Van Gogh verkörpert hat, oder den jugendlichen Wuschelkopf von Noah Saavedras Egon Schiele. Der Künstler, der vergangenen Dienstag seinen 160. Geburtstag gefeiert hätte, hat knapp 30.000 Werke hinterlassen. Eigentlich sollte das für ein originelles Filmporträt ausreichen. (Caroline Schluge, 15.12.2023)