Die Stadt Wien könnte einen S-Bahn-Ring mit zwei Linien erhalten. Eine Runde ist mit ein Mal Umsteigen möglich. Eine Aufnahme in das Zielnetz 2040 wird derzeit untersucht.

Ein S-Bahn-Ring um Wien geistert seit Jahrzehnten als Thema in der Wiener Stadtpolitik herum. Zuletzt haben die Neos mit Nachdruck diese Verkehrsidee für die Öffis verfolgt: Die Forderung fand auch Eingang in den rot-pinken Koalitionspakt im Jahr 2020. Die Stadtregierung einigte sich darin auf die Durchführung einer Machbarkeitsstudie. Diese wurde ab dem Frühjahr 2022 von den für die Wiener S-Bahn zuständigen ÖBB im Zusammenarbeit mit Verkehrsplanungsexperten durchgeführt. Das Ziel war, verschiedene Möglichkeiten zu untersuchen.

Am Freitag erfolgte die Präsentation der Ergebnisse. Als Varianten-Gewinner habe sich ein sogenannter Zwei-Linien-S-Bahn-Ring herauskristallisiert, wie ÖBB-Infrastruktur-Vorständin Judith Engel erläuterte. Die Vorortelinie S45 soll demnach ab der Station Handelskai entlang des Donauufers Richtung Süden bis zur S80 verlängert werden. Damit ergibt sich ein Ring mit zwei verschiedenen S-Bahn-Linien und Umstiegen in Hütteldorf und Praterkai. Konkret soll die S45 die neuen Stationen Reichsbrücke (mit Umsteigemöglichkeit zur U1) sowie Donaumarina (als Knotenpunkt mit der U2) erhalten und beim Praterkai eine Umsteigemöglichkeit zur S80 bieten. Geplant ist eine Taktung mit vier Zügen pro Stunde.

Eine Lösung mit nur einer S-Bahn, die ringförmig ohne Umsteigen verkehrt, sei laut Engel nicht praktikabel – und mit wesentlich mehr Investitionen verbunden.

Mit der Verlängerung der S45 ab der Station Handelskai entlang des Donauufers bis zum Praterkai würde ein S-Bahn-Ring mit zwei S-Bahnen entstehen. Damit ist auch eine Anbindung an die U1 (bei der Reichsbrücke) und an die U2 (bei der Station Donaumarina) möglich.
ÖBB

Keine neue Idee

Neu ist das Vorhaben einer Verlängerung der S45 entlang des Donauufers keineswegs. Bereits im Jahr 1993 fand diese Idee in einem Bahnkonzept der ÖBB für den Wiener Raum Erwähnung. 2003 wurde das Projekt in den Masterplan Verkehr der Stadt Wien aufgenommen. Es hätte bis zum Jahr 2007 realisiert werden sollen, wurde im Jahr 2013 der damalige SPÖ-Verkehrssprecher in Wien-Leopoldstadt, Karlheinz Hora, zitiert.

Auch mit der nun vorliegenden Machbarkeitsstudie ist eine schnelle Umsetzung kein Thema. Es brauche dafür längere Vorlaufzeiten, sagte Wiens Verkehrs- und Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Der S-Bahn-Ring biete jedenfalls "viele Vorteile für den öffentlichen Verkehr". Laut der ÖBB müssten vor der Realisierung aber auch andere damit zusammenhängende Projekte umgesetzt werden. Voraussetzung ist etwa die Attraktivierung der Verbindungsbahn sowie die Zweigleisigkeit von Hütteldorf bis Penzing samt Umbau der Station Hütteldorf sowie die neue Haltestelle Baumgarten. Realistisch gesehen sei eine "Umsetzbarkeit ab 2032 gegeben", sagte Engel. Davor müsste noch die Finanzierung mit der Stadt Wien geklärt werden. Die Verlängerung der S45 wird aktuell für eine mögliche Aufnahme in das Zielnetz 2040 untersucht. Dieses soll laut ÖBB Anfang 2024 veröffentlicht werden.

Neos-Klubchefin Bettina Emmerling freute sich, dass der S-Bahn-Ring in der Machbarkeitsstudie als sinnvoll und umsetzbar erachtet wird. "Ich bin gespannt auf die nächsten Umsetzungsschritte, wenngleich die auch noch eine Zeit dauern werden." Der rote Klubchef Josef Taucher sprach von einer "gebauten Einladung zum Öffi-Fahren".

Auch die Wiener Grünen begrüßten die vorgestellten Pläne. Die Oppositionspartei verwies aber darauf, dass "dank der grünen Verkehrsministerin" Leonore Gewessler "endlich Bewegung in die Sache" komme. Die Wiener Freiheitlichen unterstützen ebenfalls den S-Bahn-Ring: Den möglichen Baubeginn 2032 und die Inbetriebnahme bis möglicherweise 2040 bezeichnete der blaue Verkehrssprecher Anton Mahdalik als "Scherzerl". "Das kann und muss schneller gehen, ÖBB und SPÖ-Verkehrsstadträtin Sima sollen aufs Gas steigen." Der ÖAMTC sprach von einer "Chance für die gesamte Ostregion". Der S-Bahn-Ring sei eine "sinnvolle Ergänzung des hochrangigen öffentlichen Verkehrs". Damit würden sich auch Potenziale für weitere Bahnverbindungen ergeben: So könnten entlang der Donauuferbahn neben S-Bahnen auch Züge der Franz-Josefs-Bahn verkehren. (David Krutzler, 15.12.2023)