Sie haben für große Aufregung gesorgt: die Pläne auf EU-Ebene, Gebäude durch Sanierung energieeffizienter zu machen. Die Sanierungspflicht sollte einer der Eckpfeiler der Wärmewende werden. Mitte März hat sich das EU-Parlament für eine Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinie ausgesprochen. Es geht vor allem darum, EnergieeffizienzStandards in den Mitgliedsstaaten einheitlich zu regulieren – und Gebäude mit niedriger Energieklasse zu renovieren.

Ein Handwerker bringt eine Dämmplatte an einer Hauswand an. 
Viele Häuslbesitzer müssten sanieren. Dafür nimmt Österreich auch einiges an Geld in die Hand. Ob das reicht, wird sich erst zeigen.
APA/HELMUT FOHRINGER

Laut Vorschlag des EU-Parlaments sollten Wohngebäude bis 2030 mindestens Energieeffizienzklasse E und bis 2033 Klasse D erreichen. Rund 15 Prozent der Gebäude in den Mitgliedsstaaten sind in der niedrigsten Klasse G eingestuft. Von rund 1,9 Millionen Privathäusern in Österreich hätten grob geschätzt 300.000 bis 450.000 Häuser saniert werden müssen. Nun kommt Entwarnung. Im EU-Trilog wurde zurückgerudert. EU-Kommission, EU-Parlament und Rat haben sich auf Kernpunkte verständigt, wie Emissionen und Energieverbrauch im Gebäudesektor sinken sollen. Bis 2030 soll demnach der Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden im Schnitt um 16 Prozent und bis 2035 um circa ein Fünftel sinken. Rund die Hälfte soll durch Sanierung der energieineffizientesten Gebäude erreicht werden. Damit ist eine strenge individuelle Sanierungspflicht für Hauseigentümer vom Tisch, auch wenn darauf weiterhin Augenmerk gelegt werden soll. Auch das ursprünglich angedachte Vermietungs- und Verkaufsverbot der schlechtesten 15 Prozent des Bestandes in einem ersten Schritt ist in der Richtlinie nicht mehr enthalten. Neubauten sollen nun erst ab 2030 ausschließlich Nullemissionsgebäude sein, zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Bis 2050 soll der gesamte Bestand aus Nullemissionsgebäuden bestehen.

Heizungstausch

Die EU-Länder sollen nun in nationalen Gebäuderenovierungsplänen darlegen, wie sie bis 2040 aus fossilen Heizungen auszusteigen gedenken, sie erhalten dabei weitgehend freie Hand. Hierzulande ist bekanntlich die türkis-grüne Koalition vom verpflichtenden Tausch von Ölheizungen bis 2035 und Gasheizungen bis 2040 abgerückt. Nun sollen nur in Neubauten keine Gasheizungen mehr eingebaut werden.

Wegweiser mit der Aufschrift Wärmepumpe und einer durchgestrichener Aufschrift Ölheizung und Gasheizung.
Heizungstausch ist nur ein Teil der Sanierung. Eine umfassende Sanierung eines Hauses kann allerdings schnell einmal so viel kosten wie ein Neubau. Was trotzdem dafür spricht, ist die sogenannte graue Energie: Energie, die für den Hausbau durch Herstellung von Rohmaterial, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung aufgewendet wurde.
IMAGO/Christian Ohde

Höhere Förderungen sollen zum Umstieg auf ökologische Alternativen bewegen. Das Ziel, bei der Gebäudewärme bis 2040 von Öl und Gas wegzukommen, sei auch so erreichbar, warb die grüne Ministerin Leonore Gewessler für das Paket. Wirtschaftsminister Martin Kocher hält das für richtig. "Die finanziellen Anreize werden gut angenommen", sagt er. Ein positiver Nebeneffekt: Es gebe mehr Rückhalt in der Bevölkerung. Ein brisanter Punkt, sagt Wolfgang Amann, Leiter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW). Verbote und Vorgaben seien ein gefundenes Fressen für Populismus jeder Couleur.

Andererseits sei die Dekarbonisierung des Gebäudebestands einfacher als die der anderen Sektoren. Derzeit werde versucht, Regulative zu vermeiden und alles mit "Geld zu erschlagen". Es sei sehr fraglich, ob das funktioniert. Forscher Johannes Schmidt vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Boku stimmt zu. "Es müsste eine Deadline geben, wo dann klar ist, dass es das, was es gibt, dann nicht mehr gibt." Jetzt fossile Heizungen einzubauen sei keine Option, "wenn wir die Klimaziele ernst nehmen".

Begleitmaßnahmen

Was die Gebäudeeffizienzrichtlinie betrifft, so müssen sie Rat und Parlament erst formal absegnen. Schmidts Boku-Kollege Willi Haas vom Institut für soziale Ökologie hielte ebenfalls verpflichtende Sanierung für zielführend. Eingebettet in Maßnahmen wie etwa geförderte Kredite, die Kreditraten in Höhe der Kostenersparnis beim Heizen vorsehen, oder spezielle Förderungen für von Energiearmut Betroffene. Die Erfahrung habe gezeigt, dass EU-Richtlinien sehr wichtig seien, damit in Österreich etwas umgesetzt werde. Gerade Maßnahmen, die über Parteigrenzen hinweg schwer verhandelbar seien, hätten so eine weit höhere Chance, urteilt Haas: "Für Lobbygruppen ist es manchmal am einfachsten, bei ihnen nahestehenden Parteien so zu intervenieren, dass alles beim Alten bleibt."

Ganz so ist es laut Klimaschutzministerium nicht. Die Zuständigkeit für den Gebäudesektor liegt in Österreich bei den Bundesländern – konkrete Auswirkungen hat die Richtlinie also insbesondere für Baurecht und Bauordnungen. Was außerdem kommen soll: Eine nationale Datenbank für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Nachdem die Richtlinie die Dekarbonisierung der Gebäude vorsieht, "hat sie natürlich auch Auswirkungen auf Besitzer von Einfamilienhäusern – sie können möglichweise mit verstärken Förderungen für die Sanierung rechnen", heißt es aus dem Klimaschutzministerium. (Regina Bruckner, 16.12.2023)