Wien – Die thermische Sanierung stockt. Zwar werden viele neue Heizungssysteme und Photovoltaikanlagen installiert, auch zum Fenstertausch entschließen sich viele, aber beim Dämmen von Kellern, Außenwänden und Dächern geht wenig weiter, stellt das Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) fest. Das sei ein Problem, sagt IIBW-Leiter Wolfgang Amann. Eines, das auch die jüngste Einschätzung des Umweltbundesamts bestätigt. Sie hat ergeben, dass Österreich, macht es mit den Klimaschutzmaßnahmen weiter wie bisher, weit von den bis 2030 gesteckten Klimazielen entfernt sein dürfte.

Im Bericht "Treibhausgasemissionen Österreichs bis 2050" sind bereits bestehende Gesetzesinitiativen einkalkuliert, etwa die Ausbauziele für Erneuerbare bis 2023 und das Verbrenner-Aus im Jahr 2035. Erst im Entstehen befindliche Maßnahmen wie das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (es sieht den Ausstieg aus Gasheizungen bis 2040 und aus Ölheizungen bis 2035 vor) sind noch nicht einkalkuliert – ein wichtiger Baustein für den Gebäudesektor, neben dem Verkehr einer der größeren Klimasünder. "Die Sanierung ist nicht nur eine moralische Frage, sondern eine volkswirtschaftliche", sagt Amann. Immerhin drohen Österreich beim Nichterreichen der Klimaziele Strafzahlungen.

Teures Sanieren

Es geht aber nicht nur in dieser Frage um Geld. Denn auch Sanieren kostet. Neue Heizungen zu installieren reicht nicht, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür muss auch fleißig gedämmt werden. Schließlich beginnt mit einer Dämmung von Fassade und Dach eine thermische Sanierung. Die Preise für Dämmstoffe sind allerdings rasant gestiegen. So sehr, dass viele vor einer thermisch-energetischen Gebäudesanierung zurückschreckten, hieß es jüngst in einer Erhebung des Marktforschungsinstituts Branchenradar.com.

Dämmen ist der Anfang der Sanierung. Vor wenigen Jahren konnte man sein Einfamilienhaus um bis zu 100.000 Euro "polstern", heute kann es auch das Doppelte kosten.
Foto: Regina Bruckner

Deutliche höhere Rohstoffkosten und noch mehr die explodierenden Energiepreise hätten die Hersteller im Vorjahr zu massiven Preiserhöhungen gezwungen, meint Marktforscher Andreas Kreutzer. Die durchschnittlichen Verkaufspreise von Schaumstoffdämmungen seien um ein Viertel gestiegen, bei Mineralwolle lag die Teuerung bei 15 Prozent, Fenster kosteten um neun Prozent mehr. Das sei vielen sanierungswilligen Bauherren zu viel gewesen, meint Kreutzer.

Sanierungsmarkt eingebrochen

2022 sei der Sanierungsmarkt eingebrochen. Die Nachfrage nach Dämmstoffen für Baumaßnahmen im Gebäudebestand ging seiner Analyse zufolge um sieben Prozent zurück. Damit sanken die Dämmstoffverkäufe im Sanierungssegment auf den tiefsten Stand seit 2007. Eine umfassende Sanierung eines Hauses könne schnell einmal so viel kosten wie ein Neubau, 300.000 bis 400.000 Euro hält IIBW-Forscher Amann durchaus für realistisch. Viel Geld also, das nicht jeder lockermachen kann oder will.

Teure Materialien, fehlende Arbeitskräfte

Die Baukosten sind hoch, weil Baumaterialien teuer, Handwerker nicht verfügbar und die Kreditzinsen hoch seien, sagt Klaus Haberfellner vom Dämmstoffhersteller Austrotherm. Allerdings habe man seit Juni 2022 "die Dämmstoffpreise um bis zu 26 Prozent reduziert. Es dauert anscheinend, bis das beim Konsumenten ankommt." Auch Haberfellner bestätigt, dass die Nachfrage nach Dämmstoffen sowohl im Bereich der Sanierung als auch im Neubau im Vergleich zum Vorjahr stark gesunken sei – im zweistelligen Prozentbereich, "obwohl der Bedarf hoch ist und es Förderungen gibt. Letzteres scheint zu kompliziert zu sein."

Eine umfassende Sanierung eines Hauses kann schnell einmal so viel kosten wie ein Neubau. Was trotzdem für eine Sanierung spricht, ist die sogenannte graue Energie: Energie, die für den Hausbau durch Herstellung von Rohmaterial, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung aufgewendet wurde.
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IIBW-Bauforscher Amann hält dagegen, die Förderungen seien niederschwellig – auch auf Einkommensgrenzen werde verzichtet. Die gestiegenen Preise hält auch er für ein Argument – vor allem im privaten Bereich. Vor einigen Jahren konnte man ein Einfamilienhaus dämmen, ohne die 100.000-Euro-Grenze zu überschreiten, heute können die Kosten doppelt so hoch ausfallen. Auch Andreas Kreutzer hat Zahlen parat. Neue Fenster für ein Einfamilienhaus taxiert der Marktforscher mit 20.000 bis 30.000 Euro, eine Fassade mit 30.000 bis 40.000 Euro, ein neues Dach würde zwischen 40.000 und 70.000 Euro kosten. Die Heizung ist da nicht dabei – für all das gibt es maximal 14.000 Euro an Bundesförderung. Das Budget gehöre verfünffacht, sagt Kreutzer.

Staatliche Unterstützung

Der Staat macht schon jetzt bis 2026 im Rahmen der Sanierungsoffensive für moderne Heizungen und die thermische Sanierung rund zwei Milliarden Euro locker. Die Zahl der Anträge auf Bundesförderung beim Sanierungsscheck bei Einfamilienhäusern lag etwa bei 11.600 (auf 40,8 Millionen Euro), das seien nur 0,6 Prozent des Gebäudebestands, sagt Kreuzer – das Ziel liege aber bei drei Prozent. Seit Jahresanfang wurde die Pauschale auf 14.000 Euro angehoben, maximal 50 Prozent der gesamten förderungsfähigen Kosten werden subventioniert. Aus dem Klimaschutzministerium heißt es: "Wir sehen, dass die Nachfrage sehr hoch ist – aufgrund der hohen Förderbudgets konnten wir aber in der letzten Periode alle korrekten Anträge auch genehmigen."

Austrotherm-Chef Haberfellner sagt, die Sanierung sei noch nicht angelaufen, neue Projekte würden verschoben, und "so werden die Mieten weiter steigen. Der Einfamilienhausbau ist stark zurückgegangen." Die Nachfrage werde sich kurzfristig leicht erholen, "es wird aber zu wenig sein, damit wir im Gebäudebestand und Neubau unsere Klimaziele erreichen werden. Hier muss noch ordentlich Gas gegeben werden, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen."

Um den Gebäudesektor zu dekarbonisieren, gelte es, sowohl im privaten Bereich als auch im öffentlichen Gebäudesektor auf die Tube zu treten, sagen Experten.
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Das sieht auch Wolfgang Amann so. Und es gelte sowohl für den privaten Bereich als auch für den öffentlichen Gebäudesektor. "Wir brauchen alles, sowohl im großvolumigen Bereich als auch die Ein- und Zweifamilienhäuser." Letztere seien besonders wichtig, sagt Amman, weil energetisch so ungünstig – mit dem vierfachen Energieverbrauch einer vergleichbaren Wohnung. Geschätzte 400.000 Ein- und Zweifamilienhäusern haben demnach Sanierungsbedarf.

Gerade in diesem Segment sieht Bernhard Buchberger vom Dämmstoffspezialisten Synthesa in Perg in Oberösterreich wenig Bereitschaft, Geld in die Sanierung eines Häuschens zu stecken. "Die Leute haben Corona hinter sich, jetzt wollen sie wieder Urlaub machen oder sich ein neues Auto kaufen", sagt Buchberger. Ein Haus sanieren, das gehe richtig ins Geld – das vielleicht in ein 30 Jahre altes Haus zu stecken, "wo man gerade mit dem Abbezahlen fertig ist", motiviere wenige. Es sei super, wenn es eine Förderung von 14.000 Euro gebe, aber es koste eben oft ein Vielfaches. Da warte man doch lieber einmal ab. (Regina Bruckner, 28.4.2023)