Die Professur"Philosophie in einer globalen Welt" am Institut der Universität Wien soll zugunsten einer Professur für "Östliche Philosophie" umgewidmet werden.
Getty Images/iStockphoto

Am Institut für Philosophie der Universität Wien soll die Professur für "Philosophie in einer globalen Welt" zugunsten einer Professur für "Östliche Philosophie" umgewidmet werden. Mit der Widmung einer Professur für "Philosophie in einer globalen Welt" war die interkulturelle Philosophie in Wien nach fast drei Jahrzehnten intensiver Aufbauarbeit verankert worden. Was wie ein Sturm im Wasserglas klingen mag, ist tatsächlich nicht bloß eine eher altbackene Einschränkung der wissenschaftlichen Landschaft, sondern vielmehr ein deutliches Indiz einer Selbstaufgabe der Universität, was ihre gesellschaftliche Verantwortung betrifft.

Interkulturelle Philosophie geht davon aus, dass Menschen überall auf der Welt in der Lage sind, sich ihres Verstandes zu bedienen, um grundlegende Fragen nach der eigenen Existenz, des gelungenen Miteinanders und dem Wesen des Universums zu stellen und begründet zu beantworten. Diese Grundannahme mag vor dem Hintergrund des 75-jährigen Bestehens der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte banal wirken – und doch war sie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hochumstritten.

Eingeschränkte Sicht

So hielt Martin Heidegger noch 1956 fest, dass die abendländisch-europäische Philosophie und die Philosophie an sich ein und dasselbe wären. Viele seiner Zeitgenossinnen und Zeitgenossen teilten diese Ansicht, so zum Beispiel auch Hannah Arendt und Maurice Merleau-Ponty.

Interessanterweise gibt es jedoch eine außereuropäische Denktradition, die in Heideggers Weltbild Platz findet, jedoch von ihm nur als "Östliches Denken" gefasst werden kann. Dies ist keineswegs eine Eigenart Heideggers. Wenn überhaupt, galt lange Zeit in Europa nur die asiatische Tradition als philosophisch, zunächst die chinesische, so zum Beispiel bei Gottfried Wilhelm Leibniz, und später die indische Tradition bei Arthur Schopenhauer. Doch auch die östliche Philosophie wurde oft ausgeschlossen in einer über die Jahrhunderte zunehmend selbstbezogenen und ausschließenden europäischen Philosophietradition, die beträchtlich zum wissenschaftlichen Rassismus des 18. und 19. Jahrhunderts beitrug, nicht nur, indem sie Afrika und den Amerikas in gleichem Maße Geschichtlichkeit wie Philosophie und zuletzt auch die Menschenwürde absprach. Eine Einschränkung auf östliche Philosophie gegenüber einem interkulturellen Anspruch, der die östliche Philosophie ebenso miteinschließt wie die afrikanische und lateinamerikanische Philosophie, stellt daher einen eher traurigen Schritt zurück dar.

Schule der Verständigung

Doch geht es bei der Frage nach einer Verankerung der interkulturellen Philosophie nicht bloß um Fragen der Gerechtigkeit in der Philosophiegeschichte. Es geht vielmehr darum, dass interkulturelle Philosophie eine Schule der Verständigung ist, in der gelernt werden kann, anderen Standpunkten zuallererst mit großem Respekt und noch größerer Neugierde entgegenzutreten, mit dem Ziel, mit diesen in einen vernunftgeleiteten, kritischen Dialog einzutreten, der auch möglichst mehrere Denktraditionen miteinschließen soll. Ganz nach dem Kulturphilosophen Franz M. Wimmer, der an der Universität Wien gelehrt und das Konzept des Polyloges geprägt hat.

Universitärer Auftrag

Laut Paragraf 1 des geltenden Universitätsgesetzes (2002) sind die Universitäten dazu berufen, (...) verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen. Die interkulturelle Philosophie trägt in Wien seit Jahrzehnten zu diesem Auftrag bei, sowohl was die Forschungsbeiträge aus dem Fachbereich zu Umweltethik, globaler Gerechtigkeit, Gleichberechtigung angeht, als auch und vor allem in der Vermittlung eines radikalen, weil unbedingten und nicht durch Zentrismen verfälschten Universalismus.

Die Einschränkung auf bloß eine Denktradition nach altem eurozentrischem Muster kann diesem Anspruch nicht gerecht werden – und will es wohl auch nicht. (Karin Kuchler, 18.12.2023)