In seinem Buch Abschied von der Zukunft analysiert der ehemalige Chefredakteur der NZZ am Sonntag, Felix E. Müller, die Endzeitstimmung einer von Greta Thunberg geprägten jungen Generation.
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Alle müssen wir sterben. Menschen machen trotzdem etwas aus ihren Leben, weil sie Antrieb haben. Antrieb beruht auf Optimismus. Dieser wird oft falsch verstanden: Blinde oder toxische Zuversicht ist nutzlos. Aber Optimismus als Vision, wie etwas besser sein kann, ist die Triebkraft des individuellen und gesellschaftlichen Fortschrittes. Er ist gesellschaftlich wichtig zur Behebung von Dysfunktionalitäten, mit denen Menschen konfrontiert sind ("so, wie es jetzt ist, geht es einfach nicht"), für Innovation, für Veränderungen, die mit Risiko behaftet sind.

Uns fehlt diese Triebkraft. Einst waren Heldenepen wie Krieg der Sterne mit Luke Skywalker Kassenschlager. Heute sind es Marvel-Dystopien. Einst prägte die Fernsehserie West Wing das Bild des effektiven US-Präsidenten mit guten Absichten. Heute ist er in der Netflix-Serie House of Cards ein intriganter Mörder.

Gesellschaftlicher Stimmungsumschwung

Durch diesen gesellschaftlichen Stimmungsumschwung entkoppeln sich Zukunft und Fortschritt, geht der Glaube verloren, dass das Morgen besser sein wird als das Gestern.

Warum sind wir so düster geworden? Der Westen altert; alternde Menschen fühlen sich verwundbarer. Das bedeutet, dass wir ohnehin darauf achten müssen, dass die Alten nicht die Stimmung der Gesellschaft determinieren.

Das tun sie aber. In seinem Buch Abschied von der Zukunft analysiert der ehemalige Chefredakteur der NZZ am Sonntag, Felix E. Müller, die Endzeitstimmung einer von Greta Thunberg geprägten jungen Generation. Während klassische Dystopien wie George Orwells Buch 1984 eine Literatur des Widerstands waren, "ein Weckruf zum Kampf gegen Totalitarismus in Politik und Gesellschaft", ist die heutige Dystopie eine Literatur der Ohnmacht mit apokalyptischen Buchgenres wie Klimafiktion, oder Cli-Fi.

Die Gefahr besteht in einer sich drehenden Spirale: Pessimismus beeinflusst den Inhalt der Populärkultur, die wiederum Zukunftsängste bestärkt. Das wird durch die Prognosen der Klimaforscher befeuert.

Düstere Zukunftsbilder

Seit den Tagen des Club of Rome vor 50 Jahren wird uns prophezeit, dass der Erdball eine wachsende Bevölkerung nicht ernähren kann; dass wir uns vergiften; dass weite Landstriche nicht mehr bewohnbar sein werden, was gigantische Flüchtlingsströme produzieren wird; oder dass uns die künstliche Intelligenz versklaven wird. Ein neuer Wissenschaftszweig entstand: die Kollapsologie, deren Merkmal es ist, Möglichkeiten als negative Gewissheiten darzustellen.

Auch Nicht-Kollapsologen malen oft besonders düstere Bilder in der hehren Absicht, Regierungen zum Handeln zu bewegen. Doch düstere Zukunftsbilder können auch etwas anderes bewirken: Fatalismus. Wenn die Welt eh zugrunde geht, dann kann man sich schnell noch bereichern oder ein Nachbarvolk versklaven. Oder man greift zur Pille: Der Gebrauch von Psychopharmaka hat sich in Europa seit dem Jahr 2000 weit mehr als verdoppelt.

Dystopien lähmen, fördern Kleingeistigkeit und verhindern konkrete politische Reformen. Optimismus ist eben nicht das Vertrauen auf gute Aussichten ("wird schon funktionieren"), sondern der Mut zur Veränderung, der konkrete Sachpolitik antreibt. Schrittweise lässt sich die Welt verändern. (Veit Dengler, 17.12.2023)