Immer wieder schafft Netflix auch Überraschungshits, etwa das Musical "Maestro" mit Maya Hawke und Bradley Cooper.
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"Schauen wir Netflix?" ist in den letzten Jahren vielleicht einer der populärsten Sätze in vielen Beziehungen und Familien geworden. Eine Zeitlang stand es als Synonym für Serien "on demand", "Bingewatchen" und den damit verbundenen langen Fernsehabend. Die Zeiten haben sich geändert. In der jüngeren Vergangenheit tauchten immer mehr solcher Streamingservices auf, etwa Disney+, Paramount+ oder auch Apple TV+. Allerdings behauptete sich das US-Unternehmen Netflix noch immer als eines von wenigen, die schwarze Zahlen mit ihrer Business-Idee aufweisen konnten.

Gerade das letzte Jahr hat allerdings bewiesen, dass Netflix nicht mehr der nette Streaming-Anbieter von nebenan ist, sondern ein Konzern, der Geld verdienen will und muss. Als Kundin oder Kunde hat man das zu spüren bekommen – ganze fünf Mal.

Der Preis ist heiß

Was waren das für gemäßigte Preise, als Netflix 2014 in Österreich und Deutschland startete. Das teuerste Abo kam auf 11,99 Euro. Drei Preissteigerungen mussten wir seitdem erleben. Heute kostet das Premium-Abo mit 4K-Auflösung satte 17,99 Euro. In anderen Ländern, etwa Frankreich oder Großbritannien, kommt das Premium-Abo bereits auf 19,99 Euro, was einen baldigen Anstieg hierzulande nicht ganz unrealistisch macht. 20 Euro für einen Streamingservice? Das ist etwa das Doppelte vom ursprünglichen Preis.

Klar, auch andere Services sind in diesem Jahr teurer geworden, allen voran Apple TV+ und Disney+. Aber mittlerweile hat auch Netflix eine Höhe erreicht, die man vielleicht kein ganzes Jahr lang zahlen will und sich stattdessen auch manchmal eine Auszeit genehmigt, um vielleicht mal bei einem anderen Anbieter reinzuschauen.

Wo kommt die Werbung her?

Noch gibt es in Österreich keine werbegestützte Abo-Stufe. Auch das Basis-Abo um 7,99 Euro kommt noch ohne Werbung aus. In anderen Ländern wurde solch ein Modell allerdings bereits eingeführt, und in Frankreich kann man Netflix mit Werbung bereits um 5,99 Euro nutzen. In den USA ist der Sprung zwischen werbegestütztem Abo und werbefreiem Abo mittlerweile rund neun Dollar groß – von 6,99 auf 15,49 Dollar. Das alte "Basis-Abo" wurde einfach gekübelt, was natürlich auch europäischen Kunden blühen kann.

Die Einführung von Werbung mag für die Streaming-Anbieter ein gutes Geschäft sein, als Kunde erinnert man sich an alte Werbeunterbrechungen im TV, als Filme genau im spannendsten Moment unterbrochen wurden. Wo das hingeführt hat, wissen wir heute. Hier hat man immerhin die Möglichkeit, diese Unterbrechungen auszublenden, aber der Preis dafür wird wohl immer höher.

Passwort-Sharing abgedreht

"Love is sharing a password" waren die Worte des offiziellen Netflix-Accounts auf X, damals noch Twitter. Das Unternehmen wusste also sehr wohl, dass nicht jeder, der Netflix nutzte, dafür auch bezahlte. Aber es war Aufbruchstimmung im Jahr 2017 – und die Marke musste unter die Leute gebracht und Marktmacht aufgebaut werden. Diese Open-mind-Mentalität hat sich im Vorjahr ins Gegenteil gedreht. Kunden, die offensichtlich von mehreren Orten gleichzeitig ihren Account aktivierten, wurden sehr streng darauf hingewiesen, dass das nicht im Sinne von Netflix sei.

Die folgenden Sperren sorgten für allerlei Konfusion, speziell für Leute mit mehreren Wohnorten oder längeren Urlauben. Auf Social Media wurde punktuell zum Boykott von Netflix aufgerufen, doch erwies sich die Strategie als äußerst lukrativ. In einem aktuellen Report des US-Unternehmens war in diesem Jahr von knapp neun Millionen neuen Abonnenten die Rede. Ein ungewöhnlich großer Sprung, der wohl auch auf das Ende des Passwortteilens zurückzuführen ist.

Warum kein Bingewatching mehr?

Es ist vielleicht der emotionalste Punkt der Liste, auch wenn er nichts mit dem direkten Geldeinwurf in den Service zu tun hat. Aber das Ende von Serien, deren Folgen auf einen Schwung veröffentlicht wurden, hat die Bingewatching-Community stark ins Herz getroffen. In vielen Umfragen, auch von Netflix, wurde immer wieder dargelegt, dass viele Menschen gern mehrere Folgen hintereinander schauen wollen. Mit der Einführung von einem wöchentlichen Rhythmus oder anderen künstlich herbeigeführten Unterbrechungen wurde genau dieser Zielgruppe der Spaß gehörig verdorben.

Klar, andere Mitbewerber machen es genauso, aber man weiß auch, warum. Durch die Preissteigerungen und das gestiegene Angebot an Streamingservices wäre man sonst verleitet, öfter mal das Abo zu kündigen. Das geht natürlich nicht, wenn die Lieblingsserie einfach über Wochen läuft – gerade so lange, bis der nächste Kracher so weit ist.

Sprecher von Netflix haben dazu auch öffentlich Stellung genommen und unter anderem gesagt, dass bei vielen Serien die wöchentliche Veröffentlichung zu einem massiven Zuschauerwachstum geführt hat. Mag sein, andere tun es ja auch. Für viele ist es ein Rückschritt im Seherverhalten.

Gute Shows abgesetzt

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber in welcher Frequenz Netflix potenzielle Hitserien schnell wieder abdreht, ist fast einzigartig am Markt. Vielleicht auch deshalb, weil sie laut eigenen Angaben rund 100 Originalserien pro Jahr veröffentlichen. So schaut man "Unsichtbare Stadt", "Glamorous" oder "Inside Job", um dann kurz darauf festzustellen, dass es nicht mehr weitergeht. Das mag für Netflix funktionieren, als Zuseher sieht man sich zahlreichen Enttäuschungen gegenüber.

Fazit

Wenn der US-Medienkenner Scott Purdy von einer weiteren "Streamflation" spricht, dann kann man sich als Kundin oder Kunde darauf einstellen, dass es auch in den kommenden Jahren zu Preissteigerungen, mehr Werbe-Abos und strengeren Regeln kommen wird. Nicht nur bei Netflix, sondern bei allen Anbietern, die finanziell teilweise noch viel schlechter dastehen als der US-Anbieter.

Für die Streaming-Begeisterten heißt das wohl, sich auch von beliebten Services mittelfristig verabschieden zu müssen. Einfach alles zu abonnieren, was es derzeit am Markt gibt, das wird es nur für die wenigsten spielen. Man darf gespannt sein, welcher Anbieter und welche Serien beziehungsweise Filme diesen kommenden Sturm überleben werden. Als Kunde darf man hier mitentscheiden, wohin die Reise geht. Um Netflix braucht man sich aber in jedem Fall dank Serien wie "Squid Game", "Stranger Things" oder "Arcane" und wegen des laufend erweiterten Spiele-Angebots wohl die wenigsten Sorgen machen. (Alexander Amon, 18.12.2023)