In der ORF-Rubrik "Ratgeber Besser Leben", die vor der Bundesländersendung "Tirol heute" ausgestrahlt wird, dürfen sich Unternehmerinnen und Unternehmer aus Tirol von ihrer besten Seite präsentieren. Das Format kommt im redaktionellen Mantel daher, am unteren Bildschirmrand steht: "Präsentiert von WKO". Dass hier auch regelmäßig Humanenergetikerinnen Werbung für ihr Unternehmen machen, stößt auf Kritik.

Auspendeln und Energiearbeit: Die Wirtschaftskammer sponsert die ORF-Rubrik
Auspendeln und Energiearbeit: Die Wirtschaftskammer sponsert die ORF-Rubrik "Ratgeber Besser Leben".
Screenshot/ORF

In einer Beschwerde an den ORF Tirol moniert ein Zuseher, dass der ORF so zu einer "Plattform für Pseudowissenschaft und Scharlatanerie" mutiere und seiner Verantwortung als öffentlich-rechtlicher Sender nicht nachkomme. Der ORF weist die Kritik zurück. Es handle sich um einen "redaktionellen Beitrag, der in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Werbebestimmungen gesponsert wurde".

Energiearbeit mit "Aura-Sprays"

Stein des Anstoßes der Beschwerde ist ein Spot der Tiroler Humanenergetikerin Daniela Frischhut. Sie spricht in einem Clip von Blockaden und seelischen Verletzungen, die in uns abgespeichert seien. Man könne sie etwa mit dem Pendel austesten. "Eine Möglichkeit der Energiearbeit sind Aura-Sprays. Sie bestehen aus Wasser und Alkohol, gemischt mit ätherischen Ölen. Diese Sprays sollen unsere Aura reinigen und harmonisieren und mit positiven Energiebotschaften füllen", sagt sie.

"Wissenschaftsskepsis" werde befeuert

In der Beschwerde des Zusehers und angehenden Arztes, die dem STANDARD vorliegt, ist von "fragwürdigen Praktiken" ohne "wissenschaftliche Evidenz" die Rede. Es sei aus seiner Sicht "höchst unverantwortlich, der ohnehin homöopathisch orientierten Tiroler Bevölkerung derartig pseudowissenschaftliche Ansätze vorzusetzen und somit die Skepsis gegenüber etablierter Medizin weiter zu schüren". Im Zuge der Pandemie gebe es ohnehin genügend "Wissenschaftsskepsis". Sie werde durch solche Werbungen zusätzlich befeuert.

Die Förderung von Humanenergetik stelle nicht nur eine Verletzung des journalistischen Ethos dar, sondern gefährde auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Zuseherinnen und Zuseher, kritisiert er. Solche Sendungen könnten Menschen dazu verleiten, "bewährte medizinische Maßnahmen zu vernachlässigen und sich auf nicht nachgewiesene 'Heilmethoden' zu verlassen".

Werbespots mehrmals gesendet

Auf Anfrage des STANDARD sagt Humanenergetikerin Frischhut, dass es sich um keine bezahlte Werbung von ihr handle, sondern um eine von der Tiroler Wirtschaftskammer initiierte Werbefläche, wo sich Betriebe präsentieren können. "Viele unterschiedliche Berufsgruppen können somit ihre Arbeit ein wenig näher an die Menschen bringen." Sie sei der Wirtschaftskammer dankbar, dass sie sich für die Berufsgruppe Humanenergetik einsetze und Protagonistinnen und Protagonisten vor den Vorhang hole.

Humanenergetik ist ein freies Gewerbe und wird in der Rubrik "Ratgeber Besser Leben" bereits seit mehreren Jahren vorgestellt. Ihr Spot sei in den letzten drei Jahren "zehn- bis zwölfmal" gezeigt worden, schätzt Frischhut.

Bis zu 60 Euro für Aura-Spray

Zum Vorwurf der "Scharlatanerie" sagt sie: "Es wird immer so bleiben, dass wir bestimmte Dinge im Leben wissenschaftlich nicht erklären werden können, darüber sind sich auch einige Wissenschaftler mittlerweile bewusst. Die wesentlichen Fragen, woher kommen wir, wohin gehen wir und vieles mehr, werden nie wissenschaftlich dokumentier- und beweisbar sein." Ihre Aura-Sprays hätten im Übrigen vielen Menschen sehr gut geholfen. Sie kosten laut ihrer Homepage zwischen 60 (100 ml) und 25 (30 ml) Euro.

Frischhut sagt, sie hätte sich immer wieder an den ORF gewandt, ob er nicht energetische Arbeit "tiefgreifender vorstellen" wolle. "Aber immer wieder hieß es vom ORF leider nein, denn es ist nicht wissenschaftsevident, und dennoch ist die Humanenergetik eine Fachgruppe der WKO." Frischhut weist auf ihrer Homepage darauf hin, dass ihre Produkte keine medizinischen Produkte ersetzen, "vielmehr können diese ergänzend und unterstützend eingesetzt werden und das Wohlbefinden stärken".

ORF: gesponserter Beitrag

Der ORF selbst verweist in einer Reaktion auf die Beschwerde des Zusehers und auf STANDARD-Anfrage, warum solche Beiträge gesendet würden, auf die Gesetzeskonformität: "Beim angesprochenen Beitrag handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Werbebestimmungen gesponsert wurde." Der Beitrag sei "entsprechend gekennzeichnet", er wurde nicht im Rahmen der Sendung "Tirol heute" ausgestrahlt. Und: "Der ORF Tirol hat die Seherbeschwerde entsprechend beantwortet und die Redaktion darüber informiert. Eine inhaltliche Einflussnahme Dritter auf den Inhalt der Sendung ist unzulässig und hat auch in diesem Fall nicht stattgefunden."

Update um 15 Uhr: Reaktion der Wirtschaftskammer

Laut Auskunft der Tiroler Wirtschaftskammer hat die Fachgruppe der Persönlichen Dienstleister den Beitrag gesponsert. "Weder die Unternehmerinnen – auch nicht Frau Frischhut – noch die Fachgruppe selbst haben Einfluss auf den Inhalt." Das sei auch im ORF-Gesetz so geregelt. Heuer wurden insgesamt "knapp zehn Beiträge" auf diese Weise gesponsert, so die Wirtschaftskammer. (omark, 19.12.2023)