Hugh Grant und Martine McCutcheon im Weihnachtsklassiker
Hugh Grant und Martine McCutcheon im Weihnachtsklassiker "Tatsächlich... Liebe".
ORF/Universal

Sehr vielen Menschen ist "Tatsächlich... Liebe" mit den Jahren ans Herz gewachsen. Mir nicht – sorry, Ladys. Dieser Film gibt mir Rätsel auf. Dass nämlich sogar Menschen allein beim Nennen des Filmtitels glänzende Augen kriegen und versonnen lächeln, die ich als halbwegs vernünftig einschätze: Das kriege ich nur schwer auf die Reihe. Gesehen habe ich den Film bisher einmal, und das ist 20 Jahre her. So alt ist Tatsächlich... Liebe. Seither wird er zur Weihnachtszeit in Kinos und Fernsehsendern rauf und runter gespielt.

Neben der Begeisterung gibt es allerdings auch Kritik. Innerhalb von zwanzig Jahren hat sich die filmische Erzählung von gelingenden Zweierbeziehungen stark verändert, weshalb seit geraumer Weile Tatsächlich... Liebe nicht mehr nur als lieb und knutschig gesehen wird. Übergriffige Männer in Machtpositionen, Frauen, die dienen und die Wünsche ihrer Chefs erfüllen, mangelnde Diversität wird dem Film vorgeworfen, Dinge, über die man heute nicht mehr herzhaft lachen will. Regisseur Richard Curtis bekannte, er würde das heute so nicht mehr machen. Aber trotzdem wird der Film jedes Jahr gezeigt, und trotzdem gibt es die glänzenden Augen. Zeit also, sich Ängsten zu stellen: Ich habe Tatsächlich... Liebe wiedergesehen.

"Wir sind von Liebe umgeben"

"Wenn mich die weltpolitische Lage deprimiert, denke ich immer an den Flughafen Heathrow." Berühmte erste Worte. Ich sehe Menschen, die einander umarmen. Soll heißen: "Wir sind von Liebe umgeben." Und: "Liebe ist tatsächlich überall zu finden." Das ist die Kalenderweisheit, der ich mich in den nächsten 135 Minuten ungebremst aussetzen werde. So viel geballte Liebe ist um mich, dass es kaum auszuhalten ist, und ich muss zuschauen: Tatsächlich... Liebe ist kein Film, neben dem man Kekse backen und Geschenke einpacken kann. Der Film ist gnadenlos im Verlangen nach ungeteilter Aufmerksamkeit.

Liebe überall also. Das beginnt bei Billy, dem Rock-Haudegen, der den Hit-Song Love Is All Around neu aufnimmt und es jedes Mal vergeigt, wenn er "Christmas" statt "Love" singen soll. Sein Manager Joe ist deshalb schon einigermaßen unrund, lässt ihn aber gewähren. Gut Ding braucht Weile, das wird schon. Zuversichtlich in puncto Liebe ist auch Colin, der sich als "Sexgott" bezeichnet und nach Amerika will, weil dort die Liebe wohnt, ad personam: "zehn Schnitten, die nur darauf warten, mit mir ins Bett zu gehen". Sarahs Boss Harry weiß wiederum, dass Sarah in ihren Kollegen Carl verliebt ist. Sie soll es ihm doch bitte endlich sagen, das wäre eine große Erleichterung für alle. Seiner sexy Sekretärin Mia gibt der offensichtlich emotional leicht Unterbelichtete Arbeitsanweisungen. Mia schreibt alles auf und gibt ihm noch mit, dass sie bei der Weihnachtsfeier unter dem Mistelzweig auf ihn wartet. Nicht so lustig findet derlei Avancen Harrys Frau Karen, die darob schlecht schläft. Aber so ist das nun mal.

John und Judy kommen einander als Lichtdoubles beim Pornodreh näher. Das ist lustig. Der um seine Frau trauernde Daniel macht sich Sorgen um seinen verschlossenen Stiefsohn Sam. Das löst sich, als Sam gesteht, dass er in Joanna verliebt ist und unsägliche Qualen leidet. Ich schön langsam auch.

Die Zahl der Handlungsstränge ist enorm, heute hätte man daraus eine Serie mit 13 Staffeln gemacht. Mindestens. Erste Erkenntnis: so viele bekannte Gesichter! Laura Linney, Colin Firth, Liam Neeson, Emma Thompson, Andrew Lincoln, Martin Freeman, Alan Rickman, Keira Knightley, Rowan Atkinson und Thomas Brodie-Sangster – ganz viele wurden später Freundinnen und Freunde in Serien. Das gefällt mir. Das gefällt mir richtig gut.

Die Sache mit Mark und Juliet

Und weiter geht's: Mark ist verliebt in Juliet, Juliet mag Mark auch, hat aber Marks besten Freund Peter geheiratet. Okay, wir haben ein Problem. Warum er sie liebt, ist nicht ganz klar, schließlich reden die beiden nichts miteinander. Wir werden uns noch wundern, was alles möglich ist.

Seit ich mich erinnern kann, habe ich eine gewisse Allergie auf Hugh Grant. Ihren Ursprung muss die Aversion in Tatsächlich.. Liebe haben. "Wen muss man hier flachlegen, um eine Tasse Tee und ein Schokoladenkeks zu bekommen?", feixt der Premierminister. Natalie bringt das Georderte auch so und lächelt fromm. "Sind Ihnen diese Beine aufgefallen?", will der amerikanische Präsident von seinem britischen Amtskollegen wissen. Der gleich darauf folgende ertappte Übergriff sorgt für einen diplomatischen Ordnungsruf gegen den großen Verbündeten und für Fanfaren. Sogar die Schwester Karen jubelt. Noch mehr Fanfaren, und am Abend der berühmte Powackeltanz: Jump in!

Aurelia geht für Jamie ins Wasser

Zurück bei Sarah. Sie tanzt bei der Weihnachtsfeier endlich mit Carl und kann ihr Glück gar nicht fassen. Ich auch nicht, denn das kam wirklich überraschend. Aus der leidenschaftlichen Nacht wird nichts. Der Bruder braucht Hilfe. Bye-bye, Carl. Billy liefert den geplanten Weihnachtshit und steht nicht dazu. Dass ihm notgeile Weihnachtsbackgroundgirls peinlich sind, ist verständlich. Mir auch.

Hab ich jemanden vergessen? Ja, Jamie! Der Schriftsteller wurde von seiner Freundin betrogen und zieht sich gekränkt nach Südfrankreich zurück. Für Traurigkeit bleibt keine Zeit, denn die portugiesische Haushälterin Aurelia heuert bei Jamie an. Ganz klar, Männer sind in diesem Film sehr oft die Chefs. Natürlich schaut auch Aurelia super aus. Und sie ist nicht zimperlich. Als der Wind Jamies Manuskriptseiten in den nahe gelegenen Teich verbläst, zieht sie sich ohne zu zögern aus und springt ins Wasser: "Sie ist drin", sagt Jamie und hüpft ihr nach. Bei einer Tasse Tee kommt man sich näher. Sie verstehen einander nicht, wegen verschiedener Sprachen. Das macht aber nichts, man versteht einander auch ohne viele Worte. Schön.

Können wir das beschleunigen?

Im Juwelierladen sucht Harry ein Schmuckstück für sein Schmuckstück Mia. Die Ehefrau ist kurz weg, soll nichts bemerken. "Können wir das beschleunigen?", fleht er den Verkäufer, gespielt von Rowan Atkinson an. Er spricht mir aus dem Herzen. Es zieht sich gerade ein wenig.

Der testosterongesteuerte Colin hat sein Versprechen wahr gemacht und fährt endlich in die Staaten; "in der Hose" hat er "einen Hammer, der ist sooo groß". Das scheint auch auf Anhieb gut zu funktionieren. Drei Mädels bieten ihm eine Unterkunft in ihrem kleinen Bett an, in dem sie noch dazu nackt schlafen, und dabei hat er noch nicht einmal Sexbombe Harriet kennengelernt.

Wo sind die Lichtdoubles? Beim angedeuteten Blowjob wird ein Date arrangiert. Mission accomplished.

Endlich Heiliger Abend

Heiliger Abend, immer noch dreißig Minuten. Billy hat seinen Weihnachtshit. Sarah weint, weil das mit Carl nichts wird. Der Premierminister hat Sehnsucht nach Natalie, die gekündigt hat. Und dann die mittlerweile wegen ihrer Absurdität berühmt gewordene Szene: Es klingelt an der Haustür von Juliet und Peter. Mark ist da und macht Juliet eine Liebeserklärung mit beschrifteten Tafeln. Als er fertig damit ist, geht er. Sie läuft ihm nach, küsst ihn. Und rennt wieder weg. Warum nur?

Dafür hat Billy eine Erleuchtung. Ihm ist "klar geworden, dass man Weihnachten mit Menschen verbringt, die man liebt", sagt er seinem Manager und Freund Joe. Das kommt selbst für Joe plötzlich: "Zwei Minuten bei Elton John und du bist schwul wie zehn Friseure", sagt er überrascht und dennoch sichtlich erfreut über ein gemeinsames Weihnachtsfest. Billy macht deutlich, dass er es anders gemeint hat: "Na komm, knallen wir uns die Birne zu und kucken uns Pornos an."

Natalie schämt sich

Der Premierminister sucht seine Natalie, die sich schämt, weil sie vom US-Präsidenten begrapscht wurde. Der britische Staatschef signalisiert Entschlossenheit: Ich brauche die Dienste von Natalie, es geht um eine Staatsangelegenheit. Genau genommen ist auch das ein Missbrauch, aber wollen wir nun einmal nicht so sein. Irgendwie weiß er jetzt plötzlich, dass er sie will. Und sie ihn auch. Das ist der längste Heilige Abend meines Lebens.

Ich kürze ab. Zuletzt läuft alles zusammen: Klein Sam gesteht Joanna vielleicht seine Liebe. Ich war nicht dabei, aber es wirkt so, und die Fanfaren lassen auch darauf schließen. Jamie macht Aurelia seinen Heiratsantrag. Das macht er so rührend in gebrochenem Portugiesisch, ihr bleibt offenkundig die Spucke weg. Sie überlegt kurz, sagt aber Ja, vermutlich auch, weil sie die Gäste im Restaurant nicht blamieren will. Daniel hat Claudia Schiffer, Colin hat Harriet. God only knows, what I'll be without you. In Heathrow liegen sie einander wieder in den Armen. Geschafft.

Dass dieser Film wie ganz viele andere Rom-Coms keine feministischen Offenbarungen bereithält, war zu erwarten. Tatsächlich... Liebe ist ein alter Film, einige Handlungsstränge tun richtig weh. Als entschuldigend kann man die vergangene Zeit anführen, in diesem Kontext muss man das alles sehen. Gelacht habe ich kein einziges Mal, geweint einmal fast, als Karen statt der erhofften Kette eine CD von Harry als Geschenk bekommt, geschrien habe ich, als sie ihrem trotteligen Mann großzügig vergibt. Star dieser pickigen Schmuseparty sind ohnehin die Songs. Und das ist der Grund, warum Tatsächlich... Liebe für mich auch in Zukunft bleibt, was es immer war: ziemlich wurscht. Freuet euch, das Christkind kommt bald. (Doris Priesching, 20.12.2023)