Hartwig Löger
Den Notausgang brauchte Hartwig Löger (ÖVP) nicht, er harrte mehrere Stunden vor Gericht aus.
APA/HELMUT FOHRINGER

Er wäre gerne Jetpilot geworden, sagte Hartwig Löger zu Beginn seiner Einvernahme vor Gericht, aber eine Knieverletzung habe das verhindert. So wurde es die Versicherungsbranche, mit einem Intermezzo in der Politik, das Löger nun als Zeuge ins Straflandesgericht geführt hat. Dort lieferte er im Prozess gegen Sebastian Kurz am Montag eine Darstellung, die tendenziell den Angeklagten half, also dem Ex-Kanzler und dessen Kabinettschef Bernhard Bonelli. Die hatten ja vor dem U-Ausschuss sinngemäß behauptet, nur wenig Einfluss auf Personalentscheidungen bei der Öbag genommen zu haben, und verwiesen darauf, dass der Bestellvorgang durch den damaligen Finanzminister Löger abgewickelt worden war.

"Kein Druck"

Ganz anders sieht das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die sich auf Chats und den Hauptbelastungszeugen Thomas Schmid stützt. Sie attestiert Kurz und Bonelli eine direkte Einflussnahme. Auch Schmid – der Lögers Generalsekretär und Kabinettschef war, bevor er im Frühjahr 2019 Öbag-Alleinvorstand wurde – stellt das so dar. Vergangene Woche hatte er vor Gericht von einem "Vetorecht" durch Kurz und von einer "zentralisierten Personalverwaltung" im Kanzleramt berichtet. Löger gab hingegen an, "keinen Druck" gespürt zu haben; Kurz habe sich für Personalfragen lediglich "interessiert". Vorfälle wie jenen rund um die Personalie W. stellte Löger weniger dramatisch als Schmid dar: Der Wirtschaftsprüfer W. war vom Finanzministerium als Öbag-Aufsichtsratschef vorgesehen gewesen, das Kanzleramt war damit jedoch nicht einverstanden, woraufhin W. – der mit dem Auto schon gen Öbag fuhr – umdrehte und nichts wurde.

Dafür machte Löger quasi Schmid verantwortlich: Dieser habe W. vorgeschlagen und nicht überprüft, ob er einen Konnex zur ÖVP habe – den habe er nicht gehabt, und das sei ein Problem gewesen. Schmid habe damals "Hyperaktivität" entfaltet, weil kurz vor der konstituierenden Sitzung noch nicht alle Aufsichtsratsmitglieder festgestanden wären.

"Hilfreicher Vorschlag"

Da sei dann ein "hilfreicher Vorschlag" von Bonelli aus dem Kanzleramt gekommen und der Manager Helmut Kern empfohlen worden. Es stimme zwar, dass Sebastian Kurz sich bei Löger "intensiv" für den Unternehmer Siegfried Wolf als Aufsichtsratschef starkgemacht habe, das habe Löger aber "spontan kritisch" gesehen. Auch weil Wolf bereits Aufsichtsratschef der Öbag-Vorvorgängerin ÖIAG gewesen sei und Löger "diese alte Welt nicht zurückholen wollte".

Deshalb habe Löger Kurz davon überzeugt, dass Wolf nicht passe. Auch diese Darstellung dürfte der Verteidigung in die Karten spielen – so argumentiert Kurz ja, dass die Nichtnominierung von Wolf ein Beweis dafür sei, dass er seine Wünsche nicht durchgebracht und Löger entschieden habe.

Kein Vertrauen in Schmid

Die WKStA vermutet allerdings, dass Wolf aufgrund der Russland-Sanktionen gegen seinen Geschäftspartner Oleg Deripaska ohnehin erst später in den Öbag-Aufsichtsrat hätte einziehen sollen. Auch Schmid, der keinesfalls Öbag-Chef unter Wolf sein wollte, sagte das so aus. Löger sagte aus, die Russland-Sanktionen hätten eine "gesichtswahrende" Absage ermöglicht.

In der Frage Wolf dürften sich Löger und Schmid also einig gewesen sein, ansonsten habe er aber langsam das Vertrauen in seinen Kabinettschef und Generalsekretär verloren, sagte er vor Gericht aus. Er hätte Schmid auch als Kabinettschef abgesetzt, wenn der nicht zur Öbag gegangen wäre, so Löger. Dass Schmid zur Staatsholding wollte, habe er aus Medien erfahren; ihm dann aber viel Glück bei der Bewerbung gewünscht. Ein "Erinnerungsdilemma" plagte Löger rund um die Frage, wann er welche Dokumente über eine Aufteilung des Öbag-Aufsichtsrates nach Parteifarben gesehen habe.

Da blieb er dabei, dass es im Frühsommer 2018 in Anwesenheit von Staatssekretär Hubert Fuchs gewesen sei, auch wenn Chats anderes implizierten. Er habe beim Aktenstudium feststellen müssen, dass sich "bei kleineren Themen sogar für mich Widersprüche ergeben", habe aber nach bestem Wissen und Gewissen ausgesagt, versicherte Löger.

Am Ende der Verhandlung gab der Richter seine Entscheidung zu weiteren Zeugenladungen bekannt: Aussagen werden etwa Öbag-Aufsichtsrätinnen wie Susanne Höllinger und Iris Ortner, zudem jene zwei Russen, die Schmids Glaubwürdigkeit belasten. Siegfried Wolf muss hingegen nicht erscheinen. (Fabian Schmid, Renate Graber, 18.12.2023)