Die US-amerikanische USS Mason.
Das amerikanische Kriegsschiff USS Mason im Einsatz gegen die Huthi-Rebellen.
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Vor genau einem Monat, am 19. November, näherte sich ein Helikopter – geschmückt mit den Flaggen des Jemen und der Palästinenser – dem Autofrachter Galaxy Leader im Roten Meer. Wie bei einem professionellen Einsatz setzte der Helikopter schwer bewaffnete und vermummte Kämpfer der jemenitischen Huthi-Rebellen ab. Sie rissen die Kontrolle des Schiffes, das zum Teil einem israelischen Geschäftsmann gehört, an sich und entführten es in den jemenitischen Hafen von Hodeidah – wo es bis heute liegt.

Die Entführung der Galaxy Leader in internationalen Gewässern ist wohl die schwerwiegendste regionale Eskalation der vom Iran unterstützten Huthis seit dem wieder aufgeflammten Nahostkonflikt am 7. Oktober, doch keineswegs die einzige. Seit Anfang November bis einschließlich Freitag zählten Beobachter nicht nur etliche Raketenangriffe auf Israel, die bisher allesamt glimpflich ausgingen, sondern auch mindestens 17 Vorfälle im Roten Meer. Seither wurden weitere Angriffe gemeldet. Zumeist handelt es sich dabei um Drohnenangriffe auf Frachter, die die Huthis erklärtermaßen wegen eines Israel-Bezugs ihrer Eigentümer oder ihres Kurses auf Israel an der Durchfahrt hindern wollten.

Video: USA bilden Militärkoalition gegen Huthi-Angriffe auf Schiffe im Roten Meer.
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Während in den vergangenen Tagen immer mehr große Reedereien erklärt haben, angesichts der zunehmenden Zwischenfälle das Rote Meer und damit den Suezkanal vorerst zu meiden und stattdessen den Umweg rund um die Südspitze Afrikas zu wählen (DER STANDARD berichtete), schmiedeten die USA immer dringlicher Pläne, den Huthis Einhalt zu gebieten: Am Montagabend verkündete dann US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf seiner Nahostreise in Bahrain die Operation "Prosperity Guardian" (übersetzt: Wohlstandswächter). Er sprach von einer internationalen Herausforderung, die kollektives Handeln erfordere.

Der multinationalen Allianz haben sich bisher offenbar Großbritannien, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen und die Seychellen angeschlossen. Sie soll Huthi-Angriffe auf Containerschiffe abwehren. Die Staatengruppe wird laut Austin gemeinsame Patrouillen im südlichen Roten Meer und im Golf von Aden durchführen. Israel drängt schon länger auf ein Aktivwerden der internationalen Gemeinschaft: Die Huthis hätten die rote Linie längst überschritten.

Offen ist aber noch, mit welchen Mitteln die Mitglieder die Allianz unterstützen. Also konkret: Inwiefern diese Staaten auch bereit sind, wie die USA und Großbritannien, die bereits Kriegsschiffe im Roten Meer haben, Raketen- und Drohnenangriffe der Huthi abzuschießen und angegriffenen Handelsschiffen zu Hilfe zu eilen. Spanien, das zunächst von den USA als Mitglied genannt wurde, sprang am Dienstag wieder ab. Italien bestätigte dagegen, eine Fregatte "gegen die terroristische Destabilisierung" zu entsenden.

Doch all das scheint die Huthis, zumindest offiziell, nicht einzuschüchtern: Noch bevor Rebellenvertreter am Dienstag betonten, die Angriffe auf israelische Schiffe bzw. jene, die Israel ansteuern, fortzusetzen, meldeten britische Marinebehörden einen weiteren, bisher ungeklärten Vorfall in der Meerenge Bab al-Mandeb vor dem Jemen. Zudem drohten die Huthis, künftig möglicherweise keine zwölf Stunden zwischen Angriffen verstreichen lassen zu wollen.

Die Huthis gehören damit zu den aktivsten Kräften in der vom Iran angeführten sogenannten Widerstandsachse gegen Israel in dieser Runde des Nahostkonflikts. Während der Iran selbst bisher keine militärischen Schritte gesetzt hat, haben verbündete Milizen im Irak vor allem US-Militärbasen wegen der US-Unterstützung für Israel angegriffen und die libanesische Hisbollah-Miliz die israelische Armee an der Grenze in Kämpfe verwickelt. Doch noch lassen sie Vorsicht walten.

Anders ist das bei den Huthis im Jemen. Die radikalislamischen Rebellen, die vor bald zehn Jahren die Hauptstadt Sanaa erstürmten und seither weite Teile des Nordens kontrollieren, haben trotz bald neun Jahren Krieg gegen die von Saudi-Arabien unterstützten Regierungskräfte ihre Macht zementiert. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman will sich so schnell wie möglich aus dem festgefahrenen Konflikt zurückziehen. Immer wieder gibt es Berichte, dass die seit 2022 mehr oder minder anhaltende Feuerpause bald mit einem dauerhaften Waffenstillstandsabkommen besiegelt werden könnte. Daher sollen saudische Beamte bisher Druck auf die USA ausgeübt haben, zurückhaltend auf die Provokationen der Huthis zu reagieren. Befürchtet wird, dass eine Ausweitung des Nahostkonflikts bzw. eine erneute Einstufung der Huthis als Terrororganisation die Jemen-Gespräche gefährden könnten. Riad beteiligt sich nicht an der US-Sicherheitsinitiative im Roten Meer.

Engpass der Weltwirtschaft

Den autoritär herrschenden Huthis, die sich laut ihrem Motto den Untergang der USA und Israels und einen über das Judentum verhängten Fluch wünschen, scheint die neuerliche Eskalation im Nahostkonflikt dagegen in die Hände zu spielen. Mit dem Einsatz für die Palästinenser versuchen sie insbesondere an der Heimatfront zu punkten. Im Jemen ist wie in vielen arabischen Staaten die Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung groß. Mehrere Experten verweisen dahingehend auch darauf, dass der Iran keine regionale Eskalation anstrebt – auch wenn Teheran das Vorgehen der Huthis gutheißt.

Auch den USA gehe es um einen defensiven Schutzschirm, der über der internationalen Schifffahrt aufgespannt werden soll, meint der deutsche Militärexperte Thomas Wiegold im Deutschlandfunk auf Nachfrage über die Gefahr einer regionalen Eskalation. Immerhin handelt es sich bei der Seestrecke zwischen der Meeresenge Bab al-Mandeb und dem Suezkanal um einen "Engpass der Weltwirtschaft". Angriffe auf die Abschussrampen der Huthis wären dagegen eine gefährliche Eskalation, die auch den Iran auf den Plan rufen könnte. Ob die USA auch weitere Schritte erwägen, um die Handelsschiffe zu schützen, ist derweil unklar. Auch Ägypten, dass den Suezkanal betreibt, hat kein Interesse an einer Eskalation.

Am Dienstag verurteilte die Uno die Angriffe der Huthi-Rebellen: Sie hätten "das Potenzial, Chaos im globalen Handel anzurichten". Zudem drohe ein "ökologisches Desaster". (Flora Mory, 19.12.2023)