Foto Arsenal Wien
Der Kleiderbügel ist heute zu einem Symbol für Abtreibungsrechte geworden. Laia Abril hat das Motiv 2016 fotografiert.
Laia Abril

Lucía war 24 Jahre alt, als sie, umringt von Heiligenstatuen und Homer-Simpson-Postern, einen Tee mit Zucker und Abtreibungspillen aus den Sechzigern trank. "Ich hatte Angst, dass mich die sogenannten Ärzte umbringen würden", erzählt sie, "aber am Ende ging alles gut, und ich schmiss eine Party."

Lucía kommt aus Chile: Bevor das Gesetz 2017 gelockert wurde, waren dort Schwangerschaftsabbrüche unter jeglichen Umständen verboten, auch wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung resultierte oder ein Risiko für das Leben der Mutter barg. Ersteres traf bei der jungen Frau zu – ihre Geschichte ist jetzt Teil der neuen Ausstellung im Foto Arsenal Wien.

On Abortion heißt das Langzeitprojekt der katalanischen Künstlerin Laia Abril, das nun erstmals in Wien zu sehen ist und dessen Geschichte am Mariahilfer Gürtel 37 begann: Dort befindet sich das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, die weltweit einzige Institution, die sich ausschließlich mit der historischen Einordnung von Empfängnisverhütung und Abtreibungen auseinandersetzt. Abril legte eine Sammlung an, fotografierte zunächst Kondome aus Schafsdarm und grobschlächtige Instrumente, mit denen illegale Abtreibungen vorgenommen worden waren.

Bittere Aktualität

Dass die Schau keine rein historische Aufarbeitung längst überholter Methoden ist, verdeutlicht die letzte Aufnahme der Fotoserie im ersten Ausstellungsraum: 2002 wurden die abgebildeten Äste mit langen, spitzen Dornen im Uterus einer Frau aus Uganda gefunden, die an den Folgen des versuchten Abbruchs gestorben war. So entspinnt sich in weiterer Folge eine aufwühlende Ausstellung, der ohne grafisch anmutende Aufnahmen eine sensible, aber dennoch schmerzlich direkte fotografische Aufarbeitung gelingt.

Foto Arsenal Wien
Stillleben einer Badewanne voll brühend heißem Wasser oder giftiger Pflanzen gehen unter die Haut.
Laia Abril

So tabuisiert das Thema noch immer sein mag, so omnipräsent ist es bis heute: Pro Jahr sterben rund 47.000 Frauen, weil sie keinen Zugang zu legaler Abtreibung haben, erfährt man in ausführlichen Subtexten. Mittels Bildgeschichten porträtiert Abril Personen, die heimlich einen Abbruch vorgenommen haben, zeigt Fahndungsfotos von Ärzten und Hebammen und Plakate von Pro-Life-Kampagnen aus den USA.

Am stärksten wird die Schau aber immer dann, wenn sie von Einzelschicksalen Abstand nimmt und Stillleben zeigt: Bilder einer Badewanne, gefüllt mit brühend heißem Wasser, giftiger Pflanzen oder eines Kleiderbügels aus Draht gehen unter die Haut, ohne zu verstören.

Zwischennutzung im Museumsquartier

On Abortion fällt in den zweiten Ausstellungszyklus des 2022 ins Leben gerufenen Zentrums für Fotografie, das derzeit noch in einer Zwischennutzung im Museumsquartier untergebracht ist. Die Wände der ausladenden Räume sind in einem dunklen Grau gestrichen, was den Schwarz-Weiß-Fotografien der Künstlerin zusätzlich Tiefe verleiht, ohne aber ein unnötig synthetisches Pathos zu bedienen.

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Karolina Wojtas spielt mit dem schmalen Grat zwischen Witz und Rigorosität im polnischen Schulsystem.
Karolina Wojtas

Ein wenig farbenfroher ist die kleinere, parallel laufende Schau Play and Punish der polnischen Fotografin Karolina Wojtas, die sich mit den Absurditäten des Schulsystems befasst. In Bildserien und einer Installation aus übergroßen Bausteinen spielt sie mit dem schmalen Grat zwischen Witz und Rigorosität, den sie stets unkommentiert lässt. Heiter wird man aber auch diese Ausstellung nicht verlassen: 127 leere Abschlusszeugnisse symbolisieren die 2021 verübten Suizide polnischer Schulkinder. (Caroline Schluge, 20.12.2023)